Bildungstalk: BildungsheldInnen gestalten die Schule der Zukunft
Der 24. Jänner, der internationale Tag der Bildung, wurde vom Österreichischen Bundesverlag öbv und dem KURIER ins Zeichen der BildungsheldInnen gestellt. Zu diesem Anlass fand bei der Talkveranstaltung hoch über den Dächern Wiens in der Libelle im MuseumsQuartier ein reger Ideenaustausch rund um die Zukunft der Bildung statt. Moderiert wurde die Veranstaltung von Maximilian Schulyok, öbv-Geschäftsführer und Host des Podcasts #klassezwanzigzukunft.
Zu Beginn legten die Podiumsgäste und das Publikum im Saal dar, wer ihre persönlichen BildungsheldInnen sind. Genannt wurden zum Beispiel SchülerInnen, die jeden Tag versuchen einen neuen Bildungsweg zu beschreiten, der sie auf die Zukunft vorbereitet, LehrerInnen mit voller Lehrverpflichtung sowie die Eltern von Geflüchteten, die sich – allen Widrigkeiten zum Trotz – in der neuen Heimat für die Bildung ihrer Kinder einsetzen. Außerdem wurden ErzieherInnen in betreuten Wohngemeinschaften genannt, die sich sogar für die Bildung von Kindern einsetzen, die nicht ihre leiblichen sind.
Diversität
Im ersten Themenblock fragte Maximilian Schulyok, wie Diversität zu einer positiven Ressource in Schulklassen werden und folglich ein gutes kulturelles Miteinander gelingen kann. Hierzu meldete sich Leila Babić zu Wort, sie ist Co-Lead bei Culture School und war mehrere Jahre als Lehrerin tätig: „Ein erster und sehr effektiver Schritt ist es, die Namen der SchülerInnen richtig auszusprechen und nachzufragen, wenn man sich in Bezug auf die Aussprache unsicher ist. So signalisiert man Interesse.“ Auf längere Sicht sollte außerdem die sprachliche Vielfalt in den Unterricht eingebaut werden. „Wenn im Englisch- oder Französischunterricht beispielsweise über Freundschaft gesprochen wird, könnte man auch fragen, wer das Wort Freundschaft noch in anderen Sprachen kennt.“ Dass Diversität noch nicht in der Bildung angekommen ist, begründet Babić mit der fehlenden Vorbereitung der Lehrkräfte: „Leider werden Lehrkräfte in der Ausbildung nicht geschult und völlig unvorbereitet in Klassen mit bis zu 100 Prozent Migrationshintergrund geschickt. Da fällt es natürlich schwer kulturelle Unterschiede zu beachten.“
Digitalisierung
Auch Digitalisierung ist ein großes Thema im Bildungsbereich. Dazu äußerte sich unter anderem Markus Fischer, Gründer und Geschäftsführer von chabaDoo. Er sprach darüber, welche Faktoren erfolgreiches Lernen ausmachen und wie motivierendes Lernen mit digitaler Unterstützung aussehen kann. „Um digitale Angebote sinnvoll in die Schule einzugliedern, ist es wichtig zu verstehen, wie Lernen funktioniert und wie wir es unterstützen können. Wir haben gesehen, dass die SchülerInnen sehr klar kommunizieren, was sie brauchen und dann teilweise über sich selbst hinauswachsen. Man muss ihnen signalisieren, dass man sie ernst nimmt und nicht über sie, sondern mit ihnen spricht.“ Aber es brauche den Mut, Dinge zu ändern, so Fischer: „Wir müssen es schaffen, LehrerInnen bei der Digitalisierung zu begleiten.“ Außerdem könne man Inhalte auch gemeinsam mit den Kindern entwickeln, da auf diese Art tolle und interessante Projekte entstehen. Abschließend mahnt Fischer: „Im Bildungsbereich ist es nicht mehr fünf vor zwölf, sondern eher fünf nach. Es ist dringend und daher müssen wir etwas machen! Wir kennen die Lösungen und müssen gemeinsam an einem Strang ziehen.“
Bewegung
Schule ist aber nicht mehr nur ein Ort der Wissensvermittlung, weiß Claudia Kollmer-Weber. Sie ist Direktorin am Bildungscampus+ Friedrich Fexer Attemsgasse in Wien und blickt auf 27 Jahre Lehrerfahrung zurück. „Durch Ganztagsschulen und Co. verbringen SchülerInnen mittlerweile auch einen großen Teil ihrer Freizeit miteinander. Durch unsere ganztägige Betreuung ist es uns möglich, die Kinder in verschiedenen Bereichen zu fördern. Dazu braucht es aber auch ein ausgereiftes Freizeitkonzept, das gut durchdacht sein und auch stetig evaluiert werden muss.“ Vor allem ausreichende Bewegung sei hierbei unerlässlich. Leider würden die Schulen aber mit viel zu wenigen Sportgeräten ausgestattet: „So braucht man immer einen Sponsor und das ist schlichtweg nervig. Dabei wäre es so wichtig, weil sich Kinder von Natur aus gern bewegen. Wir haben an unserem Standort kaum bis keine übergewichtigen Kinder.“ Hier brauche es aber auch mehr Personal, welches zum Beispiel Sportgeräte für den Turnunterricht aufbaut, während die Kinder noch in der Klasse davor sind. „Sonst geht sich das zeitlich nicht aus. Bis alle Kinder umgezogen und die Gerätelandschaft aufgebaut ist, ist die Stunde schon wieder vorbei.“ Dabei sei bereits wissenschaftlich bewiesen, dass Sport die Lernmotivation fördert, so Kollmer-Weber.
Gutes Lernen
Eine weitere Voraussetzung für gutes Lernen seien tragfähige Beziehungen, erklärt Corinna Sahl, Konfliktforscherin mit Schwerpunkt Trauma, Beziehung und Bindungsforschung und Projektleiterin von LernLust JETZT!. „Lernen funktioniert durch Beziehungen und die entstehen durch Menschen! Tragfähige Beziehungen fördern das Lernen. Aber leider gibt es dafür keine Zeit“, so Corinna Sahl.
Die Initiative LernLust JETZT! will hier einen anderer Zugang finden. Im Fokus steht, wie die natürliche Lernfreude der Kinder in der Schule wieder aktiviert werden und die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden gestärkt werden kann. „Wir vermitteln zunächst das Wissen, wie Bildung aussehen kann. Dann begleiten wir dabei, erste Schritte zu tätigen. Wie starten Veränderungen? Es braucht dieses Wissen und ein Support System – aber dafür braucht es auch Zeit und die Leidenschaft vor Ort. Die Lehrerinnen und Lehrer müssen erkennen, was sie können und dann handeln“, so Sahl.
Diskurs
Zu jedem Thema kamen auch die BildungsheldInnen im Saal zu Wort. Dabei berichteten sie aus der eigenen gelebten Praxis, stellten Rückfragen an die Podiumsgäste und teilten ihre eigenen Ansichten. „Wie viel reden wir über die schlechten LehrerInnen! Aber wir hatten auch alle sehr, sehr gute LehrerInnen“, heißt es etwa aus dem Publikum. Hindernisse für eine zukunftsfähige Schule seien vielmehr das herkömmliche System der Prüfung und Bewertung sowie mangelnde Ressourcen, welche jedes Jahr zum Problem werden, beispielsweise wenn es um die Stundenverteilungen geht. Man könne aber auch mit wenig etwas bewirken – was angesichts der Umstände auch wichtig ist: „In Wirklichkeit hätten viele BildungsheldInnen Ideen, die werden auch schon umgesetzt. Aber sie werden nicht finanziert. Es geht immer nur ums Geld.“