Wo man sich in Wien durch die Bundesländer kosten kann
Wien und das Osttiroler Defereggental sind knapp 500 Kilometer voneinander entfernt – geografisch gesehen. Kulinarisch betrachtet trennt die beiden Orte kein Meter mehr.
Denn seit Mitte März verkauft Edwin Baroian in einem Ecklokal in der Lerchenfelder Straße Schlipfkrapfen – das „Osttiroler Nationalgericht“, wie er sagt. Weil es in Wien noch relativ unbekannt ist, sei er zur Zeit vor allem mit einem beschäftigt: erklären.
„Viele glauben, ich verkaufe Süßspeisen“, erzählt er. „Ich muss da noch viel kommunizieren.“ Viel näher als mit Faschingskrapfen sind Schlipfkrapfen nämlich mit Kärntner Kasnudeln verwandt: „Wir füllen Nudelteig mit einer Mischung aus Kartoffeln, Öl, Zwiebeln und Schnittlauch.“
Die Kärntner Variante der Teigtaschen enthalte zusätzlich Topfen und Minze. Weiterer Unterschied: die Verschluss-Technik. Kasnudeln werden gekrendelt (das ergibt einen kordelartigen Rand), Schlipfkrapfen gepitscht (der Rand wird nach Innen gefaltet und ist kaum erkennbar).
Edwin Baroian und seine Schlipfkrapfen sind nur ein Beispiel für ein österreichisches Regional-Lokal in Wien. Am Yppenplatz ist die Völlerei mit vorarlbergerisch gefärbter Wirtshausküche erfolgreich.
Kärnten hat unweit der Uni Wien eine kulinarische Niederlassung, Oberösterreich in Wieden (eine interaktive Übersicht finden Sie am Ende des Artikels). Im Nordbahnviertel gibt es sogar ein Burgenländer-Lokal mit Greißlerei.
Sie alle treten gegen internationale Konkurrenz an. Von Baroians Imbiss liegen etwa ein Japaner, ein Vietnamese und ein kroatisches Restaurant nur wenige Gehminuten entfernt. Interessiert sich angesichts dieses schillernden Angebots überhaupt jemand für Teigtaschen aus einem Tiroler Tal?
Verzicht auf Alm-Feeling
„Es gibt eine extreme Nachfrage nach regionalen Produkten. Vor allem in dieser innerstädtischen Lage. Die Leute freuen sich, wenn es neben dem Internationalen auch österreichische Spezialitäten gibt“, sagt Baroian. Der generelle Trend, vermehrt regional Produziertes zu konsumieren, spiele da hinein.
Ausschlaggebend sei, wie heimische Kost präsentiert werde. Auf Alm-Feeling habe er bewusst verzichtet, sagt Baroian: „Alles auf Hirschgeweih zu polen, wäre nicht meines.“ Stattdessen gibt es in seinem Lokal dunkelgraue Fliesen, weiße Wände mit moderner Bemalung und Töpfe mit Kräutern auf den Tischen.
Neben dem Tresen aus hellem Holz steht ein Gefrierschrank voller brauner Papiersackerl – unter anderem gefüllt mit Schlipfkrapfen.
Wer sie nicht zu Hause kocht, sondern gleich im Lokal isst, bekommt die Teigtaschen mit Salat und brauner Butter serviert.
„Braune Butter ist ganz wichtig. Das habe ich von meiner Frau gelernt“, sagt Baroian. Im Gegensatz zu ihm sei sie Tirolerin, erzählt der Wiener. In ihrem Heimatort lasse er die Schlipfkrapfen von Hand herstellen. Dann werden sie eingefroren und nach Wien geliefert.
Sobald sich das Lokal eingespielt hat, will Baroian sein Angebot übrigens ausbauen: „Mir schwebt ein Brunch mit Tiroler Spezialitäten vor.“ Dass er viele davon wieder erklären wird müssen, ist nicht unwahrscheinlich.