Wiener Stadtstraße: Die Besetzer müssen abziehen
Von Josef Gebhard
Manchmal kommt es zu einer bemerkenswerten Gleichzeitigkeit von Ereignissen: Donnerstag Vormittag lud Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) zu einem Medientermin ins Rathaus , um jene Aktivsten zum Aufgeben zu bewegen, die seit Monaten die Baustelle für die Stadtstraße in der Donaustadt besetzen.
Die Botschaft Simas, die von gleich mehreren Vertretern gemeinnütziger Bauträger flankiert wurde: Verhindern die Besetzer den Bau der 4,6 Kilometer langen Straße, ist der soziale Wohnbau gefährdet, Wohnungen für 60.000 Menschen können nicht errichtet werden.
Ungefähr zur gleichen Zeit bekamen die Besetzer im verschneiten Hirschstetten Besuch von der Polizei. Diese teilte den Aktivsten schriftlich mit, dass ihre Versammlung aufgelöst sei. Die Besetzer müssen nun in angemessenen Zeit die Behausungen entfernen, die sie als Winterquartier errichtet haben. Dazu gehört allen voran eine hölzerne Pyramide.
Lärm, Verschmutzung
Die Polizei begründet ihr Einschreiten so: Dialoge zwischen der Stadt und den Aktivisten seien ergebnislos gewesen. „Es kam weiters vermehrt zu Bürgerbeschwerden wegen Lärms sowie Verschmutzungen“, sagt eine Sprecherin. „Aus Sicht der Stadt Wien liegt eine klare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder des öffentlichen Wohls dar, weswegen sie an die LPD Wien als zuständige Versammlungsbehörde herangetreten ist.“
Wenn die Besetzer ihr Camp nicht abbauen und abziehen, ist dies eine Verwaltungsübertretung, die letztlich zu einer Räumung führen kann. Offen ist derzeit, wann es dazu kommen würde.
Seitens der Stadt ist man um Beschwichtigung bemüht: Es gebe keine Räumung, betont eine Sima-Sprecherin „Wir setzen weiter auf Gespräche und werden den Besetzern klar vermitteln, dass die Stadt nicht länger dulden kann, dass mit der Besetzung leistbarer Wohnbau für 60.000 Menschen verhindert wird.“
Besetzer bleiben
Ob sich die Besetzer von dieser Argumentation beeindrucken lassen, ist fraglich: „Bürgermeister Michael Ludwig und Verkehrsstadträtin Sima wollen ihre Vision einer autozentrierten Donaustadt nun auch mit Zwang durchsetzen“, sagt Lena Schilling vom Jugendrat und betont: „Wir bleiben, bis die fossilen Autobahnprojekte abgeblasen sind.“ Als „Schande“ bezeichnet Greenpeace die drohende Räumung.
Stadtstraße
Sie soll das Stadtentwicklungsgebiet Aspern erschließen und die A23 (Anschlussstelle Hirschstetten) mit der geplanten S1-Spange (Anschlussstelle Seestadt West) verbinden. Die teils durch Tunnel führende vierspurige Straße (50 km/h Tempolimit) ist 3,2 km lang und soll 460 Millionen Euro Kosten. Die Verkehrsfreigabe
ist für 2025 geplant
S1-Spange
Die von der Asfinag geplante Spange führt über 4,6 km von der Anschlussstelle Seestadt West zum Knoten Raasdorf. Die Kosten liegen bei 225 Mio. Euro, Fertigstellung ist 2025
S1
Der Bau des Südabschnitts (Schwechat bis Groß-Enzersdorf, inklusive Lobautunnel) wurde vom Umweltministerium gestoppt. Ob der Nordabschnitt (bis Süßenbrunn) gebaut wird, ist noch offen
Die Stadtstraße samt S1-Spange hätte die vom Umweltministerium gekippte Nordostumfahrung und die Seestadt verbinden sollen. Ministerium und Stadt sind sich aber einig, dass sie trotzdem gebaut werden soll, um dieses Entwicklungsgebiet zu erschließen. Es geht um rund 27.000 geplante Wohnungen im Nordteil der Seestadt, an der Berresgasse und am Hausfeld.