Chronik/Wien

Wiener AHS-Klassen platzen aus allen Nähten

Für 240.000 Wiener Schüler – darunter 17.000 Taferlklassler – beginnt kommende Woche das neue Schuljahr. Aus diesem Anlass richtete Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bei einer Pressekonferenz am Donnerstag einen dringenden Appell an die nächste Bundesregierung: "Wir erwarten uns vom Bund, dass beim Ausbau von AHS und BHS endlich was weitergeht." Eine entsprechende Bedarfsbekundung liege seit mehr als einem Jahr im Bildungsministerium auf.

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Der Nachholbedarf offenbare sich vor allem bei den Berufsbildenden höheren Schulen (BHS), betont Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ). So sei in Wien die bis dato letzte HTL 1987 in der Ungargasse (3.) eröffnet worden. Indes steigen die Schülerzahlen permanent an. So sollen in Wien in den nächsten 15 Jahren allein bei den 15- bis 19-jährigen Schülern 10.000 dazukommen.

Wunschstandorte

Aktuell bringe man zwar noch jedes AHS-berechtigte Kind unter, sagt Bildungsdirektor Heinrich Himmer, "weil Schulen mehr aufnehmen als sie müssten“. Insbesondere in Stadterweiterungsgebieten, wie in Favoriten, Floridsdorf, der Donaustadt und Liesing seien die Häuser aber voll. Und viele Jugendliche müssten für den AHS-Besuch ins benachbarte Niederösterreich auspendeln.

Zusätzlich zu den bereits in der Planungsphase befindlichen AHS-Erweiterungen in der Zirkusgasse (2.) oder in der Ettenreichgasse (10.) finden sich im Schulentwicklungsplan (SCHEP) für den Zeitraum 2018 bis ’28 deshalb etliche weitere Wunschstandorte – für die die Stadt zum Teil zwar bereits die Grundstücke besäße, die aber erst den Ministerrat passieren müssen.

Konkret sehe man laut Martin Kapoun, Schulbau-Beauftragter in der Wiener Bildungsdirektion, erhöhten AHS-Bedarf beim Aspangbahnhof (3.), beim Violapark (10.), An den Eisteichen an der Grenze zwischen Meidling und Liesing, beim Nordwest-Bahnhof (20.), in der Winkeläckergasse (21.) sowie in Liesing Richtung Rothneusiedl.

Gebraucht werden aber auch zusätzliche BHS. Und da in erster Linie bei den immer beliebter werdenden Tourismusfachschulen sowie bei den HTL - für beides wären Floridsdorf oder die Donaustadt Wunschstandorte, sagt Kapoun. Im Fall der HTL stoße man vor allem dann sehr rasch an die Kapazitätsgrenzen, wenn sich mehr Mädchen für diese Schulform entscheiden würden.

Beifall von der ÖVP

Erfreut über den Vorstoß des Stadtchefs zeigt sich die Bildungssprecherin der Wiener ÖVP, Sabine Schwarz. „Dieses Bekenntnis ist überfällig“, meint sie. Damit schwenke die SPÖ „endlich auf Linie der neuen Volkspartei ein, die seit Jahren darauf hinweist, dass Wien mehr Gymnasien braucht“.

„Aus ideologischen Gründen“ hätten jedoch rote Bildungsstadträte in Zusammenarbeit mit roten Bildungsministerinnen jahrelang den Ausbau boykottiert, meint Schwarz. „Hätte die Bundesregierung unter Sebastian Kurz weiterarbeiten können, wäre in Wien unter Bildungsminister Heinz Faßmann eine Ausbauoffensive gestartet worden – die Pläne waren bereits fertig.“

100 neue Schulklassen

Was die Schaffung von Schulplätzen betrifft, habe man im Gegensatz zum Bund in Wien seine Hausaufgaben gemacht, betonen Ludwig und Czernohorsky. Um entsprechende Kapazitäten für das kommende Schuljahr bereitzustellen, entstanden allein heuer 100 neue Schulklassen, in die man 170 Millionen Euro investierte. Zudem wurden in Mariahilf, Simmering, Floridsdorf, in der Donaustadt sowie in Liesing sechs Schulen erweitert und quer über die Stadt verteilt 34 fertig saniert. In der Berresgasse (22.) geht darüber hinaus im September Wiens siebenter Bildungscampus in Betrieb. 

Weiter vorantreiben will die Stadt auch den WLAN-Ausbau an Pflichtschulen. Bis 2022 werde WLAN in 126 Schulen (94 NMS, 10 Polytechnische und 22 Berufsschulen) flächendeckend zur Verfügung stehen, kündigt Czernohorszky an. Das Gesamtprojekt "Schule Digital" lässt sich die Stadtregierung 40 Millionen Euro kosten.

Chancenindex

Vom Bund fordert die Stadt nach wie vor die österreichweite Einführung eines Chancen- bzw. Sozialindex. Dabei sollen finanzielle Mittel an Schulen nach sozialen Kriterien und Herausforderungen verteilt werden. Eine entsprechende Verordnung sei zwar seitens des Bildungsministeriums angekündigt, aber bis dato nicht erlassen worden, heißt es.

Im Kleinen werde das Modell in Wien bereits ab diesem Schuljahr umgesetzt, erklärt Himmer. Bildungseinrichtungen, die vor besonderen sozialen Herausforderungen stehen, bekämen zusätzliche Angebote (wie unverbindliche Übungen oder Freifächer). Zu einer Umverteilung von AHS-Geldern zu Neuen Mittelschulen (NMS) komme es definitiv aber nicht, versichert der Bildungsdirektor.

Weiterhin kritisch sieht man in Wien die von Türkis-Blau auf den Weg gebrachten Deutschförderklassen. 314 davon werden heuer von rund 4.700 außerordentlichen Schülern besucht. Allerdings stelle der Bund dafür nicht mehr Lehrer zur Verfügung, beklagt Himmer. Aktuell gebe in Wien 250 Planstellen zu wenig, um die Deutschförderkurse anzubieten. Um dem entgegenzuwirken, habe man Personal aus anderen Bereichen abziehen und zusätzlich Geld investieren müssen.