Chronik/Wien

Wiener Lehrergewerkschaft fordert Aussetzen des Familiennachzugs

Der Wiener Pflichtschulgewerkschafter Thomas Krebs schlägt Alarm: "Lehrerinnen und Lehrer müssen in den Klassen Hilfs-Polizeiarbeit leisten, da vermehrt Schülerinnen und Schüler gewalttätig und extremistisch sind."

Das sei nicht das einzige Problem: Sie müssen auch Psychosozialarbeit leisten und pflegerische Arbeiten übernehmen. "Zur eigentlichen Aufgabe, zum Unterrichten, kommen sie nicht mehr. Und daher macht die Arbeit in Wiener Pflichtschulen vermehrt krank," stellt Krebs fest.

Erschwerend komme jetzt hinzu, dass "Schulleitungen täglich Kinder und Jugendliche als in der Schule einschreiben müssen, die nicht nur kein Deutsch verstehen, sondern auch in ihrer Muttersprache nicht alphabetisiert sind und keine sozialen Voraussetzungen für den Schulbesuch in Wien aufweisen."

Pädagoginnen und Pädagogen müssen diese Kinder und Jugendlichen in bereits übervollen und extrem heterogenen Klassen unterrichten. Krebs: "Jeder, der sich damit beschäftigt, wird erkennen, dass das nicht funktionieren kann." 

Übervolle Containerklassen

Der Nachzug von Familienmitgliedern derer, die in den letzten Jahren nach Wien geflüchtet sind, "mag zwar sozialromantisch gut klingen, ist aber überhaupt nicht mit den Schulen und für die Schulen koordiniert worden. Die Wiener Landesregierung hat verzweifelt und konzeptlos versucht, dieses Problem mit Containerklassen zu lösen. Und selbst wenn man jeden Quadratmeter der Wiener Schulgärten und Sportplätze mit haushohen Containern zupflastern würde, könnten die Wiener Schulen doch nicht alle Kinder und Jugendlichen, die jetzt und in der nahen Zukunft nach Wien kommen, aufnehmen.

Für Krebs gibt es nur eine Lösung:  „Da das alles nicht mehr machbar ist, fordern wir als Standesvertretung Fraktion christlicher Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter – Wiener LehrerInnen  - ein Aussetzen des Familiennachzugs. Solange, bis sich dich die politischen Streithansln in Bund und Land ein gemeinsames Konzept überlegt haben und den Wiener Pflichtschulen damit eine dringend notwendige Beruhigungsphase gegönnt wird.“

Zeit, um Probleme aufzuarbeiten

Dieser Beruhigungsphase müssten die bestehenden massiven Probleme, wie beispielsweise Gewalt und Radikalisierung, aufgearbeitet werden. Weiters müssen die dringend benötigten Supportsysteme im medizinisch-pflegerischen, im sozial-emotionalen  und im sicherheitstechnischen Bereich aufgebaut werden. Außerdem bedürfe es in dieser Phase weitreichender Angebote in der Gesundheitsprävention für Lehrkräfte sowie die
volle Unterstützung für bereits erkrankte Lehrpersonen, wie beispielsweise die Möglichkeit kostenfreie Einzel-Supervision zu bekommen.

Krebs abschließend: "Wir benötigen außerdem den Wiederaufbau des sonderpädagogischen Systems, um Kinder und Jugendliche, die jetzt unter dem Deckmantel der Inklusion pädagogisch unzureichend betreut werden, wieder fachspezifischen Unterricht zu bieten."

Wiederkehr will Familien in ganz Österreich verteilen 

Wiens Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) „kann nachvollziehen, dass sich Wiener Lehrerinnen und Lehrer eine Entlastung wünschen.“
Auf KURIER-Nachfrage sagt er, dass „eine Aussetzung aufgrund der Menschenrechte nicht möglich sein wird. Mögliche Verschärfungen müssten mit dem Ministerium diskutiert werden. Mein Vorschlag bleibt eine Wohnsitzauflage.“
Heißt: Nicht berufstätige Menschen, deren Asylverfahren abgeschlossen wurde, sollen drei weitere Jahre in jenem Bundesland leben müssen, in dem das Verfahren durchgeführt worden ist.
Thomas Bulant von den sozialdemokratischen Gewerkschaftern stößt ins gleiche Horn: „Es braucht eine faire Verteilung der Kinder über ganz Österreich. In den Bundesländern haben viele Klassen  die 25er-Grenze noch nicht erreicht. Ich würde mir da eine Politik wünschen, die vorausschauend arbeitet, die agiert und nicht reagiert.“
Zudem hätte Wien ja die Orientierungsklassen eingeführt, in denen syrische Kinder, die bisher keine Schule besucht haben, auf diese Bildungseinrichtungen vorbereitet werden.