Wien Energie: Ludwigs Darlehen auf dem Prüfstand
Es war der 15. Juli, als Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) der ins Strudeln geratenen Wien Energie ein Darlehen von 700 Millionen Euro gewährte. Weitere 700 Millionen genehmigte er im August. Über beides wurde der Gemeinderat nicht informiert.
Der Schutzschirm sei notwendig gewesen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, erklärte er gegenüber den Medien. Dass er das im Alleingang habe machen dürfen, liege an der „Notkompetenz“ des Bürgermeisters, die in der Stadtverfassung geregelt sei.
Die Wiener ÖVP bezweifelt nun, dass Ludwig tatsächlich verfassungskonform agiert hat – und hat darum zwei Gutachten bei den Juristen Bernhard Müller und Peter Bußjäger in Auftrag gegeben, die dem KURIER vorliegen.
Waren es nur wenige Stunden?
Das Fazit von beiden: Der Bürgermeister wird schlüssig darlegen müssen, dass er wirklich „nur wenige Stunden“ Zeit gehabt habe, um die Entscheidung über die 700 Millionen Euro zu fällen. Ansonsten hätte er seine Kompetenzen überschritten. Das verankerte Notanordnungsrecht sei mehrstufig, erklärt Müller. Kann der – an sich zuständige – Gemeinderat wegen Gefahr in Verzug nicht rechtzeitig entscheiden, ist der Stadtsenat mittels Notkompetenz befugt, eine Entscheidung zu treffen. Und das ginge auch im Umlaufweg – also auf schriftlicher Ebene ohne Zusammenkunft. Etwas, das binnen eines Tages möglich wäre. Nur, wenn das auch zu lange dauern würde, kommt die Notkompetenz des Bürgermeisters zum Tragen.
„Wir werden darauf drängen, dass sich Ludwig erklärt“, sagt Markus Wölbitsch, Wiener ÖVP-Klubobmann. Sollte er die Stadtverfassung gebrochen haben, sei etwa auch ein Misstrauensantrag möglich. Wenn er sie wissentlich gebrochen habe, sei das zudem Amtsmissbrauch, sagt Müller. Dann sei sogar ein Strafverfahren möglich, aber „bis es so weit kommt, ist es noch ein weiter Weg.“
In der Magistratsdirektion beurteilt man die Sachlage freilich anders: „Die von der Opposition ins Spiel gebrachte Notkompetenz des Stadtsenats per Umlaufbeschluss bedarf einer vorangehenden Beratung mit physischer Anwesenheit der Stadträte, und kann daher ebenso wie die Einberufung des Gemeinderates nicht innerhalb weniger Stunden umgesetzt werden“, heißt es in einer Stellungnahme.
Unverzüglich oder dringlich
Zu klären sei für Wölbitsch auch die Frage, warum der Gemeinderat nicht über die Darlehen informiert wurde. „Jeder von uns wäre auch in der Sommerzeit sofort gekommen, wenn es um 700 Millionen Euro geht.“ Zudem sei in der Stadtverfassung festgeschrieben, dass der Bürgermeister nach Nutzung der Notkompetenz den Gemeinderat „unverzüglich“ informieren müsse. „Unverzüglich heißt nicht, dass man zwei Monate warten darf, bis der nächste reguläre Gemeinderat stattfindet“, sagt Müller. „Ludwig hätte sofort einen Sondergemeinderat einberufen müssen.“
Auch hier nimmt die Magistratsdirektion Stellung: "Da die gesetzte Notmaßnahme bereits erfolgt ist und eine allfällige nachträgliche Genehmigung oder Nichtgenehmigung durch den Gemeinderat auf die Gültigkeit bzw. Wirksamkeit dieser Maßnahme keine Auswirkungen mehr hat, ist die Dringlichkeit weggefallen." Ohne diese "Dringlichkeit" sei es ausreichend, den Gemeinderat bei der nächsten regulären Sitzung zu informieren.