Chronik/Wien

Verkehrsberuhigte Innenstadt: Datenschützer widersprechen Sima

Am heutigen Freitag hat ein Runder Tisch zur verkehrsberuhigten Innenstadt stattgefunden. Debattiert wurde dabei über den Entwurf für die benötigte Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO). Dieser war vom Klimaschutzministerium von Leonore Gewessler (Grüne) im Jänner an die Stadt Wien übermittelt worden und hatte dort für Unmut gesorgt. Er sei „unbrauchbar“ wie Mobilitätsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) damals sagte - der KURIER berichtete. Denn die Kameraüberwachung, die die Stadt im 1. Bezirk installieren möchte, sei bei diesem Entwurf nicht möglich.

Ein heute vorgelegtes Gutachten vom Verein epicenter.works, einem Verein für Grundrechtspolitik, das dem KURIER vorliegt, zeichnet ein anderes Bild. Die in der Novelle vorgeschlagenen Datenschutzmaßnahmen werden „als zufriedenstellend“ bewertet. Und weiter: „Wir gratulieren dem Klimaministerium zur Ausarbeitung einer praktikablen und tauglichen Lösung.“

Grundsätzlich sei man als Datenschutzorganisation skeptisch, wenn die Innenstadt mit Kameras überwacht werden solle, präzisiert Thomas Lohninger von epicenter.works auf Nachfrage. Sollte diese Überwachung aber dem politischen Willen entsprechen, könne man dem Entwurf des BMK durchaus etwas abgewinnen. Allerdings wird im Gutachten auf ein vorhergehendes Konzept von der ehemaligen grünen Vizebürgermeisterin Birgit Hebein verwiesen, das ohne Kameras ausgekommen wäre. Dieses wäre "gemäß einer Studie der BOKU und internen Dokumenten der Stadt Wien auf eine viel höhere Reduktion des Verkehrsaufkommens bei drastisch niedrigeren Kosten gekommen".

Zweites Gutachten aus 2022

Im Ressort von Stadträtin Sima ist man empört: "Es werden lediglich Fotos von den Kennzeichen gemacht, wie es bei der section control seit Jahren üblich ist, es geht nicht um eine 24h Videoüberwachung", so Sima. "Warum Ministerin Gewessler eine historische Chance vergibt, die größte Verkehrsberuhigung Österreichs  endlich umzusetzen und ganz offensichtlich ewig verzögert, ist wirklich schleierhaft und versteht niemand".  Sußerdem verweist die Mobilitätsstadträtin auf ein vom Klimaschutzministerium in Auftrag gegebenes Gutachten aus 2022, in dem geschrieben steht, dass "bildverarbeitenden technischen Einrichtungen dem Sachlichkeitsgebot entsprechen und verhältnismäßig“ sind

Knackpunkt beim aktuellen Streit zwischen Sima und Gewessler ist der Datenschutz: Sima hatte zuvor unter anderem kritisiert, dass laut Novelle die Kameras aus datenschutzrechtlichen Gründen bei Demonstrationen, Sportveranstaltungen und ähnlichen Großveranstaltungen verhängt werden sollen. 

Laut Stadt habe es aber allein im Jahr 2022 fast 1.800 Veranstaltungen oder Demos in der Inneren Stadt gegeben. Sprich: Die Kameras müssten mehrmals täglich ausgeschaltet oder verhängt werden. 

Man habe sich lediglich an die rechtlichen Rahmenbedingungen gehalten, hieß es im Jänner aus dem Klimaschutzministerium. Das sieht man auch bei epicenter.works so. Laut Gutachten sei etwa das Abhängen ein Problem und sei durch "ferngesteuerte Klappen leicht machbar und löst dieses Problem für alle sichtbar".

Konzept der Stadt Wien

Das Konzept der Stadt sieht vor, dass es künftig nur mehr Bewohnerinnen und Bewohnern, berechtigten Personen oder Menschen, die ihr Fahrzeug in einer Garage parken, erlaubt sein soll, in die Innenstadt zu fahren. Die Überwachung der Zufahrtslimits soll mit Kameras erfolgen. Eine eigens in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie kommt zu dem Schluss, dass dadurch künftig ein Drittel weniger Einfahrten in die City stattfinden würden. Aktuell fahren täglich rund 53.000 Kfz in den 1. Bezirk ein. Die Studie geht von rund 15.700 Einfahrten weniger aus.

Ein Ergebnis gab es beim heutigen Runden Tisch noch nicht.  Die Diskussionen seien dabei sehr konstruktiv verlaufen, heißt es aus dem Klimaschutzministerium. "Von vielen Seiten wurden Unterstützung ausgedrückt und gute Vorschläge gemacht. Wir sind zuversichtlich, dass wir die koalitionsinterne Abstimmung auf dieser Basis nun voranbringen können.“