Umweltschützer fordern rasche Realisierung der Seestadt Aspern
Von Bernhard Ichner
Die von der grünen Umweltministerin Leonore Gewessler angestoßene Evaluierung des Asfinag-Bauprogramms entfacht einen kuriosen Streit um die Seestadt Aspern. Das Argument von Verkehrs- und Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ), wonach ohne Errichtung der S1 samt Lobautunnel bzw. der damit verbundenen Stadtstraße Wohnungen für 60.000 Menschen nicht gebaut werden könnten, sei blanke „Panikmache“, sagt der Sprecher der Umweltorganisation VIRUS, Wolfgang Rehm.
Die Gruppierung, die den Bau der S1 durch verschiedene Gerichtsverfahren hinauszögert, fordert nun etwas, das für Umweltschützer überraschend erscheinen mag: Die Änderung der Bebauungsbedingungen, um das Stadtentwicklungsgebiet Seestadt so rasch wie möglich zu verbauen. Doch Sima winkt ab.
Vier Jahre Stillstand
Um den Streit zu verstehen, muss man die Vorgeschichte kennen. Was stimmt, ist, dass der Weiterbau der Seestadt zurzeit pausiert.
Die Stadt – konkret die Umweltschutzabteilung (MA22) – hat es im Zuge der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zur Seestadt selbst zur Bedingung gemacht, dass mehr als 50 Prozent der Baufelder im Norden erst bebaut werden dürfen, wenn Stadtstraße und S1-Spange Seestadt für den Verkehr freigegeben sind. Alleine der Baustellenverkehr könne über die bestehenden Straßen nicht abgewickelt werden, lautet eine Begründung. Die Krux daran: Ohne S1 und Lobautunnel würden beide Projekte tatsächlich keinen Sinn ergeben.
Und da für die S1 noch nicht alle Bewilligungen vorliegen, kann das Großprojekt frühestens 2025 für den Verkehr freigegeben werden. Zumindest vier Jahre Stillstand scheinen in der Seestadt also fix zu sein.
"Total absurd"
Das müsste aber nicht sein, sagt Rehm. Mit einem „schlichten Änderungsverfahren, das in einem Jahr erledigt sein könnte“, wäre es der Stadt möglich, die Bedingungen im UVP-Bescheid für die Seestadt zu modifizieren.
Dann könne die Seestadt auch ohne S1 und Co. weitergebaut werden. Das sei aber gar nicht die Intention der Stadt, so Rehm. Die Verknüpfung mit Stadtstraße und Spange wäre bewusst herbeigeführt worden. „Es geht der Stadt darum, ein Druckmittel zu haben, falls das Prestigeprojekt S1 infrage gestellt wird.“
„Das ist total absurd“, kontert Sima. Zum einen würde eine neuerliche UVP quer durch alle Instanzen drei bis vier Jahre dauern, betont die Stadträtin. Von einem Vorteil für den neuen Stadtteil könne also keine Rede sein. Und zum anderen habe das Bundesverwaltungsgericht den aktuellen UVP-Bescheid abgesegnet – „und auf die Gerichte hat die Stadt Wien wirklich keinen Einfluss“.