Chronik/Wien

Um einen Funken an der Katastrophe vorbei: Gasleitung manipuliert - 12 Jahre Haft

Dass Montagfrüh keine Waisen oder Witwen im Großen Schwurgerichtssaal des Landesgerichts Wien sitzen, ist purer Zufall. Das bemerkt auch der vorsitzende Richter Andreas Böhm. Denn ein Funke hätte gereicht, und dem 62-jährigen Angeklagten Maciej W. wäre 13-facher Mord vorgeworfen worden. So bleibt es beim Mordversuch.

Der Angeklagte, ein gebürtiger Pole, soll vor seiner Delogierung aus seiner Wohnung in der Degengasse in Wien-Ottakring am 13. Juli die Gaszuleitung manipuliert haben. „Ich wollte mich umbringen“, sagt er. Doch dass er damit auch andere Hausbewohner, den Gerichtsvollzieher, den Schlosser, die Möbelpacker und den Hausverwalter hätte töten können, das sei ihm zu dem Zeitpunkt nicht bewusst gewesen.  „Er hat sein Hirn ausgeschaltet“, sagt sein Anwalt Andreas Reichenbach.

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Allein – dass ein gelernter Industriemechaniker nicht weiß, dass Gas gefährlich ist und explodieren kann – das kann ihm der Richter nicht glauben: „Das weiß jeder.“ Der Staatsanwalt verdeutlicht: Das Aufbohren des Türschlosses, das Aufdrehen des Lichtschalters – das allein hätte reichen können, dass die Wohnung in die Luft fliegt.

Im Verhör bei der Polizei gab Maciej W. zu Protokoll: „Ich weiß, dass ich eine Bombe eingerichtet habe und es ist ein Wunder, dass das Haus noch steht.“

Nur, weil der Schlosser die Tür händisch öffnen konnte, sofort den Gasgeruch wahrnahm und schrie: "Lauft's!", kam es zu keiner Tragödie.

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Zu dem Zeitpunkt, als die angekündigte Delogierung beginnen sollte, war der Angeklagte selbst nicht mehr in der Wohnung. „Ich habe mich hingelegt und gewartet, gewartet, gewartet. Aber der Tod ist nicht gekommen“, erzählt Maciej W. Also sei er, ohne etwas mitzunehmen, kurz vor der Delogierung einfach gegangen. Das Gas strömte weiterhin aus. Fenster öffnete er keines.

Erst Tage später wurde der Mann von der Polizei festgenommen – jemand hatte ihn erkannt und den Hinweis gegeben.

Die Frau war vor Jahren gestorben, dann verlor er seinen Job. Freunde hatte er keine in Wien. Maciej W. begann zu trinken. Fiel in eine Depression, schaffte keine Amtswege mehr und bekam keine Sozialleistungen. Ein Jahr schon hatte er keine Miete mehr bezahlt für seine kleine 30-Quadratmeter-Wohnung.

12 Jahre Haft

„Ich wollte niemanden töten. Ich hatte nur große Probleme. Ich wollte sterben“, beteuert der Angeklagte.

Das Urteil: zwölf Jahre Haft wegen versuchter Brandstiftung und 13-fachen Mordversuchs.

Bei der Strafbemessung wurde die bisherige Unbescholtenheit mildernd berücksichtigt. Erschwerend war die Bereitschaft, "andere mit in den Tod zu nehmen", wie der vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung darlegte.

Der 62-Jährige nahm nach Rücksprache mit Verteidiger Andreas Reichenbach die Strafe an. Der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig.