Street Art am Gürtel: Mit dem Kopf gegen die Wand
Von Julia Schrenk
Übersehen kann man es nicht, das riesige pinke Mural (Wandmalerei, Anm.) am Wiener Gürtel. Egal, ob man mit dem Auto, zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs ist. Auf einer durch einen Hausabriss freigewordenen Wand am Mariahilfer Gürtel 33 hat der österreichischen Street-Art-Künstler Golif ein 25 mal 15 Meter großes Bild gesprüht und gemalt: Es ist eine der für ihn typischen (meist männlichen) Figuren: dicke, schwarze Konturen, prägnante Pinselstriche.
Seit Anfang des Monats prangt das Kunstwerk auf der Hauswand eines Gründerzeithauses. Und es nicht das einzige neue von Golif: Auch am Hernalser Gürtel hat er Spuren hinterlassen. Auf der Nummer 17 – das Haus nebenan wurde ebenfalls abgerissen – klotzt ein riesiger Kopf; 20 mal 15 Meter groß.
Er erinnert frappant an den „Beobachter“, Golifs einziges Werk, das auch einen Titel trägt. 2016 schuf der Künstler das damals „größte Kunstwerk der Welt“ in St. Marx. Um den Kopf, der größer war als sechs Fußballfelder, erfassen zu können, wurde eigens ein 50 Meter hoher Kran aufgestellt.
Offen für Kunst
Mit seinen beiden neuen Werken wollte Golif der Stadt „etwas zurückgeben“, ließ er seinen Manager dem KURIER ausrichten. Denn Wien habe ihn, den Tiroler Künstler (32), der bis 2016 an der Angewandten Malerei und Druckgrafik studierte, gut aufgenommen.
Karina Karadensky, die gemeinsam mit Christine Koblitz die Ausstellung „Takeover“ im Wien Museum kuratiert (siehe Kasten re.), hat dafür auch eine Erklärung: „Großflächiges Street Art wird heute als schön empfunden. Wien ist da offener geworden.“
Als die ersten Sprayer Wände in Wien besprühen wollten, gab es in der Stadt nicht einmal Spraydosen. Um die zu bekommen, mussten Wiener Künstler nach Deutschland fahren. Mittlerweile hat sich die Szene in Wien etabliert – und etwas geändert.
Als die Graffiti-Szene in den 1980er-Jahren von den USA auf Wien übergeschwappte, war mit Graffiti eher ein politisches Statement auf einer meist illegalen Fläche zu verstehen. Heute gibt es auch Auftragsarbeiten oder – wie im Falle Golifs – ein Interesse daran, Street Art auf den eigenen Häusern zuzulassen.
Hotspot Donaukanal
22 „legale“ Wände, die also offiziell besprüht werden dürfen, gibt es laut der Plattform „Spraycity“ in Wien. Hotspot ist nach wie vor der Donaukanal, auch am Yppenplatz in Ottakring oder in Neubau wird viel gesprayt. „Graffiti und Street-Art werden in der Stadt immer sichtbarer“, sagt Karadensky – und akzeptierter.
Dazu habe auch das Calle Libre Festival beigetragen, das heuer vom 3. bis 10. August in der ganzen Stadt über die Bühne geht. Hier kommen die weltweit besten Künstler ihrer Art nach Wien.
Aber wird Street Art durch Auftragsarbeiten und große Ausstellung, wie jener, die bis Herbst im Wien Museum läuft, ihrem Ursprungsgedanken, nämlich ein politisches Statement zu setzen, überhaupt noch gerecht? „Kommerzialisierung ist immer ein Thema“, sagt Kuratorin Karadensky. Der Fokus ihrer Ausstellung liegt auf Wiener Künstlern wie Paul Busk oder Nychos. Und die hätten den Fokus „ganz gut“ gefunden.
Künstler Golif wurde für seine Werke am Gürtel übrigens nicht bezahlt (die Farbe ist gesponsert). Er habe die Wände selbst entdeckt, über seinen Manager die Hausbesitzer ausfindig machen lassen und die seien „kunstsinnig“ und daher interessiert an einer Fassadenverschönerung gewesen.
Street Art in Wien
„Takeover“
Die Ausstellung zu Street-Art und Skateboarding im Wien Museum läuft noch bis 1. September.
Info: 4., Karlsplatz 8. Donnerstag bis Sonntag, jeweils von 14 bis 22 Uhr. Eintritt frei. www.wienmuseum.at
Calle Libre
Das Festival für „urbane Ästhetik“ findet heuer von 3. bis 10. August statt. Es gibt Workshops, Touren und Live-Paintings.
Info: www.callelibre.at
KMG Art Gallery
Von 19. Juli bis 30. August widmet sich dort eine ganze Ausstellung nur Künstler Golif.
Info: 6., Mariahilfer Straße 103. www.kmg-art.com