Stillen in der Öffentlichkeit: Gütesiegel für erste Lokale in Wien
Von Verena Richter
Milchkuh, unappetitlich, pervers oder sexuelle Anspielungen: Es ist nur ein kleiner Auszug der Erfahrungen und Kommentare, die Mütter in der aktuellen Umfrage von MAM Babyartikel schildern.
Über 6.400 Frauen wurden zu ihren Erfahrungen beim Stillen in der Öffentlichkeit befragt.
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Zwei Drittel (67 Prozent) aller Mütter erleben demnach negative Reaktionen und ziehen sich bewusst für das Füttern ihrer Kinder zurück. 48 Prozent suchen wenig frequentierte Orte auf oder wählen nicht gut einsehbare Plätze (43 Prozent). "Das sind Zahlen, die uns als Gesellschaft zu denken geben sollten“, sagt Georg Ribarov, Umfrage-Initiator.
Erhoben wurden in der Umfrage auch die stillunfreundlichsten Orte, Spitzenreiter sind Lokale und Cafés (40 Prozent). Öffentliche Plätze und Parks landen mit 33 Prozent auf dem traurigen zweiten Platz. Dahinter folgen Einkaufsgeschäfte (13 Prozent) und öffentliche Verkehrsmittel (9 Prozent).
Rauswürfe und Beschimpfungen
Geschildert wird von den Müttern, dass sie nicht bedient, aus dem Lokal verwiesen oder aufs Klo geschickt wurden. Andere geben an, beim Stillen fotografiert worden zu sein. "Mehr als 500 Erlebnisse schilderten uns die Mütter. Von unerwünschten Ratschlägen, Rauswürfen, Beschimpfungen bis hin zu übergriffigen Kommentaren: Die Reaktionen sind so unterschiedlich wie sie erschreckend sind“, betont Ribarov.
Wenn sich ein Gast durch öffentliches Stillen gestört fühlt, geben wir der Mutter den Vorzug.
Gastronom
MAM ruft daher eine Stillcharta sowie das österreichische Stillsiegel ins Leben, das Betriebe freiwillig an ihren Eingängen und Fenstern anbringen können. Auch Museen, Hotels, Bibliotheken und andere öffentliche Einrichtungen sind eingeladen, sich der Initiative anzuschließen. Aber auch Besucher und Gäste können Orte vorschlagen, die ihrer Meinung nach das Stillsiegel erhalten sollen.
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Die ersten Lokale, die das Stillsiegel tragen, sind die Kaffeehäuser und Restaurants von Gastronom Berndt Querfeld (u.a. Café Landtmann, Napoleon, Bootshaus). In der Praxis werde er seine Mitarbeiter auf die Stillcharta sensibilisieren müssen.
Späteres Stillen ist keine Option
Und wenn es konkret zu dem Fall kommt, dass sich ein Gast über eine stillende Mutter beschwert? "Dann geben wir der Mutter den Vorrang." Sie soll also eben nicht umgesetzt oder in eine dunkle Ecke verwiesen werden.
Dass auch Kommentare oder Ratschlage, sein Kind später oder zuhause zu stillen, nicht nur unangebracht, sondern auch ungesund sind, erklärt Hebamme Christina Ruthhofer: "Der Magen eines Neugeborenen ist am Anfang so klein wie eine Murmel. Sie müssen bis zu 16-mal in 24 Stunden gefüttert werden. Bei der Mutter kann sich nach vier Stunden ein Milchstau entwickeln, was wiederum zu einer Entzündung führen kann."
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Keine Option seien Stillecken oder das Verweisen von Frauen in separate Räume. "Der öffentliche Raum soll sicherer werden für Stillende“, betont Ribarov. Mit der Initiative wolle MAM einen Beitrag leisten, um das Stillen in der Öffentlichkeit zu normalisieren und sichere Räume zu schaffen.