Steinige "Bänke" am Praterstern: modern oder obdachlosenfeindlich?
Geschäftig strömen die Menschen vom Bahnhof in alle Richtungen. Es ist laut und chaotisch. Noch ist der Praterstern eine Baustelle: An jeder Ecke hämmern und werkeln Bauarbeitern hinter Absperrbändern. Grund ist die bis Ende des Jahres geplante Verwandlung des Pratersterns vom Schandfleck zum modernen Verkehrsknotenpunkt. Zu lange war er als Kriminalitäts-Hotspot verschrien. Nun sollen Restaurants, Bäume und Wasserspiele das Image des Pratersterns aufpolieren.
Für einen Image-Schaden sorgen aber vorab die neuen Sitzgelegenheiten. Sie sehen aus wie große, graue Steine aus Kunststoff und bilden einen Kreis um eine kleine Grünfläche. „Es gibt nichts zum Anlehnen oder Abstützen. Es sieht zwar interessant, aber unbequem aus“, meint ein 18-jähriger Schüler, der am Praterstern vorbeigeht.
Ein 30-jähriger Bauarbeiter lobt vor allem das Design: „Es schaut gut aus und viele Personen können darauf sitzen, weil sie groß sind“.
Die Steine sehen tatsächlich wie moderne und innovative Bänke aus. Doch das futuristische Design hat auch Nachteile. Durch die Form wird es obdachlosen Personen erschwert, die Nacht darauf zu verbringen. Und auch ältere Personen und Menschen mit Behinderungen könnten Schwierigkeiten beim Hinsetzen beziehungsweise Aufstehen haben, meint die Wiener Caritas. Man könne hier auch von einer Anti-Obdachlosen-Architektur sprechen. „Gerade Bahnhöfe sind immer auch Räume für Menschen am Rand der Gesellschaft“, so eine Caritas-Sprecherin. Und eben genau Senioren oder Obdachlose würden stabile Sitzplätze, die Erholung bieten, dringend benötigen.
Attraktiv für Hunde
Warum wurden diese Möbel aber für den Praterstern gewählt? Ausgrenzung von Menschen sei kein Motiv gewesen, sagt Leopoldstadts Bezirksvorsteher Alexander Nikolai (SPÖ). „Die Obdachlosen des Bezirks liegen mir ebenso am Herzen wie alle anderen in der Leopoldstadt“. Er sei außerdem nicht in die konkrete Ausgestaltung involviert gewesen.
Auch die ehemalige Bezirksvorsteherin Uschi Lichtenegger (Grüne) erklärt, dass sie die Stein-Möbel nicht mit ausgesucht habe: Sie befürchtet außerdem, dass Hunde diese Sitz-Steine „markieren“ könnten.
Der aktuelle Vizechef des Bezirks, Bernhard Seitz (Grüne), hofft, dass am Platz weitere Sitzgelegenheiten mit Lehnen aufgestellt werden. Aus der Abteilung der Stadtgestaltung (MA 19) heißt es, dass es unterschiedliche Sitzmöglichkeiten gebe. Diese wurden eigens für den Praterstern geschaffen. Darunter die kritisierten Steine mit dem klingenden Namen „Pratoide“.
Die elliptischen Sitzbänke ermöglichen ein Verweilen im Schatten der Bäume. Laut Rendering der Stadt soll es auch vereinzelt welche mit Lehnen geben. Die Stein-Sitze seien zudem nur als eine Ergänzung zu den anderen Bänken – und als Spiel- und Verweilmöglichkeit – konzipiert, heißt es von der Stadt.
Die Fertigstellung des Platzes ist für das Jahresende geplant.
von Marie-Sophie Bachmayer