Stadtstraße: Besetzer räumen letztes Wiener Lobau-Protestcamp
Von Anna Perazzolo
Beim Abzug aus dem letzten noch übrig gebliebenen Protestcamp gegen Lobau-Autobahn und Stadtstraße Aspern riecht es nach frischem Asphalt. Der Straßenabschnitt, der von der Anfanggasse zum Kagraner Platz führt, wird gerade neu asphaltiert. Sozusagen ein Abzug mit Beigeschmack für die rund 100 Aktivistinnen und Aktivisten, die am Montagabend das letzte der zwischenzeitlich drei Camps aufgegeben haben.
Die Anfanggasse – das Basiscamp, von dem aus die restlichen Besatzungen geplant wurden – markiert nun also das Ende. Der Protest gegen die umstrittenen Straßenbauprojekte in Form von Camps ist vorbei, die Zelte abgebrochen, die Rucksäcke gepackt. Nur ein einzelnes Banner flattert noch einsam im Wind und zeugt von dem, was noch letzte Woche hier war – Menschen, Musik und eine Jubiläumsfeier zum einjährigen Bestehen.
Obwohl wir das Camp vermissen werden, brauchen wir es jetzt nicht mehr“, sagt Sprecherin Lucia Steinwender bei der Abschiedsrede am leer geräumten Gelände. „Weil wir hier zu der schlagkräftigen Bewegung von heute geworden sind.“
Abzug statt Umzug
Bereits vergangene Woche wurde bekannt, dass die Bewegung umziehen wolle. Am Montag wurde der Um- aber zum Abzug. „Nach heute wird es kein Camp mehr geben. Zumindest in nächster Zeit“, sagt Co-Sprecherin Lena Schilling.
Grund für den Abschied war ein Räumungsbescheid der Stadt Wien. Zuletzt hatte sich der Konflikt wieder zugespitzt: Die Stadtregierung habe „absurde Vorwürfe“ wie etwa die Undurchführbarkeit des Baumschnitts am Campgelände oder die Klage von Anrainern über Rattenplagen genutzt, um die Klimaschützer am Protest zu hindern, sagt Schilling. „Wir wollen nicht darauf warten, wann die Stadt Wien uns hier polizeilich räumen lässt“, erklärt Aktivistin Jutta Matysek den freiwilligen Abzug.
Nicht das erste Mal, dass der symbolische Kampf zwischen Protestierenden und Stadt zu eskalieren drohte. Seinen Gipfel erreichte der Zwist im Februar, als das Protestcamp Hausfeldstraße von der Polizei geräumt wurde. Danach ging der Widerstand zwar weiter, die volle Schlagkraft der Bewegung allerdings war verloren.
"Wir sind überall"
Zu Ende sei der Protest deshalb aber nicht, hieß es am Montag. Nun, wo alle Camps aufgelöst wurden, gelte es nach vorne zu schauen. In Wahrheit sei der Abzug ein Umzug in die Zukunft, sagt Schilling: „Das Protestcamp ist zwar weg, wir sind aber überall.“
Zu Ende sei der Protest deshalb aber nicht, hieß es am Montag. Nun, wo alle Camps aufgelöst wurden, gelte es nach vorne zu schauen. In Wahrheit sei der Abzug ein Umzug in die Zukunft, sagt Schilling: „Das Protestcamp ist zwar weg, wir sind aber überall.“
Nach dem Protest ist vor dem Protest
Gemeint ist damit, dass der Protest nun österreichweit weitergehen soll. Der erste Weg führte die Bewegung deshalb gleich nach dem Abzug aus dem Camp in Richtung Kagraner Platz, vor die Zentrale der SPÖ Donaustadt. Fahnen, Banner, Musik und etwas Wehmut markierten den Weg der Protestierenden. Mit der Aufgabe des Camps in der Anfanggasse endet immerhin nicht nur ein Jahr Kampf gegen Lobau-Autobahn und Stadtstraße, sondern auch eine der größten Protestaktionen der vergangenen zehn Jahre in Österreich.
Der Trost: Der Widerstand soll weitergehen. „Lobau bleibt“ werde sich vernetzen und gegen alle „unnötigen Straßenprojekte“ im Land protestieren. Bereits am kommenden Wochenende sollen sich deshalb Aktivisten aus ganz Österreich in Wien einfinden, um weitere Aktionen zu planen, sagt Schilling.
Und auch rund um die Lobau und die Stadtstraße soll es nicht leise werden. „Die Donaustadt mitten in der Energiekrise an den ölbetriebenen Autoverkehr zu fesseln, statt leistbare Öffis auszubauen, ist antisozial. Wir werden uns deshalb von neuen Orten aus mehr denn je dafür einsetzen, dieses Millionengrab zu verhindern“, sagt Steinwender.
Eine erste Protestaktion wurde bereits für die Nacht auf Dienstag angekündigt.