Chronik/Wien

Kinderpsychiatrie in Wien in der Kritik: "Hätte ein Bett gebraucht"

Zweimal suchte die 19-jährige Kiana im März Hilfe in einer psychiatrischen Klinik. Zweimal wurde sie abgewiesen. Wenige Tage später versuchte die junge Frau, sich das Leben zu nehmen. 

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„Man hätte es verhindern können, hätte man mir einfach eine helfende Hand und ein Bett gegeben“, sagte Kiana gegenüber dem KURIER. Bereits mit elf Jahren habe sie damit begonnen, sich selbst zu verletzen.

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Mit 16 flüchtete sie sie sich in Alkohol und chemische Drogen. Kiana war bereits in mehreren Kliniken untergebracht. Auch wenn viele sie respektvoll behandelten, machte sie auch Erfahrungen, die sie nicht vergessen wird.  

„Von einem der Pfleger wurde ich aufgrund meiner Narben verurteilt und musste mir anhören, dass es mir eigentlich gut gehen sollte, wenn ich doch eh Freunde habe“, erzählt Kiana.

Prüfer empfehlen rasches Handeln

Dass ihre Erfahrungen kein Einzelfall sind, zeigt ein am Mittwoch veröffentlichter Stadtrechnungshofbericht. Auf rund 180 Seiten wird kein allzu positives Bild der Versorgung von psychisch bzw. psychosomatisch kranken Kindern und Jugendlichen gezeichnet.

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So entsprächen etwa die Kapazitäten im stationären Bereich „seit Jahren“ nicht den Vorgaben. Zwar wurden im Jahr 2019 in der Klinik Floridsdorf zwei Stationen für Kinder- und Jugendpsychiatrie eröffnet, wegen Personalmangels aber nie in Betrieb genommen. 

Im stationären Bereich reichten die vorhandenen Kapazitäten seit Jahren nicht an die Vorgaben

Prüfbericht
Stadtrechnungshof

Insgesamt stieg die theoretische Bettenanzahl im Wigev im Prüfzeitraum 2019 bis 2021 von 85 auf 97, tatsächlich waren aber jeweils nur 60 Betten verfügbar. Die Folge: Monatelange Wartezeiten bei planbaren Aufnahmen sowie „zahlreiche“ Minderjährige in Erwachsenen-Abteilungen. Letzteres Problem konnte mittlerweile durch zwei Stationen für 14- bis 25-Jährige „eingedämmt“, wenn auch nicht behoben werden. 

Mangel im ambulanten Bereich

Mängel stellten die Prüfer aber auch im ambulanten Bereich fest: So seien von sechs bis 2030 vorgesehenen Ambulatorien zum Zeitpunkt der Prüfung erst zwei in Betrieb gegangen, drei weitere sollen allerdings bis 2024 folgen.

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Generell empfiehlt der Stadt-RH die zügige Umsetzung des Psychiatrischen und Psychosomatischen Versorgungsplans (PPV) – sowie natürlich, die Rahmenbedingungen zu schaffen, „um künftig erfolgreich“ Fachärztinnen bzw. Fachärzte „anwerben und langfristig halten zu können“.

Der Wigev kontert: Der Bereich gehöre im deutschsprachigen Raum seit 2010 „kontinuierlich zu den gesuchtesten Disziplinen“, zudem kompensiere man „seit Jahren die nicht vorhandenen Kassenärztinnen bzw. Kassenärzte“.

Zusätzlich werde intensiv an der Attraktivierung des Fachbereichs gearbeitet; etwa durch ein Exzellenzprogramm, das 2024 als Pilot starten soll, aber auch durch mehr Geld. In Floridsdorf soll außerdem künftig ausgebildet werden.

Kritik der Opposition

Die Opposition stellt das freilich nicht zufrieden. Der Bericht zeige, „dass die Kindergesundheit offenbar nicht auf der Prioritätenliste der Stadt weit oben steht“, sagt die grüne Gesundheitssprecherin Barbara Huemer, die die Prüfung auch beantragt hatte.

"Beschämend“ sei angesichts einer Wartezeit von bis zu eineinhalb Jahren auf einen Therapieplatz insbesondere die Versorgung autistischer Kinder und Jugendlicher.

Die ÖVP fordert angesichts der „evidenten Mängel“ die Umsetzung der Empfehlungen, der Wigev sei derzeit „nicht wettbewerbsfähig“. Die FPÖ bestreitet wiederum den Ärztemangel, vielmehr seien die Wigev-Führung sowie Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) „unfähig, die Gesundheitsversorgung der Wiener zu garantieren“. 

Hacker äußerte sich nicht

Hacker selbst äußerte sich nicht zu dem Prüfbericht. Für den Wiener Psychiatrie-Koordinator Ewald Lochner ist die Empfehlung, den PPV möglichst rasch umzusetzen, „zentral“: „Dieser Empfehlung der zügigen Weiterführung kommen wir selbstverständlich nach und sehen das als Bestätigung unserer bisherigen Bemühungen.“  

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Zudem freue er sich, dass die – ebenfalls empfohlenen – Finanzierungsverhandlungen mit der ÖGK kürzlich abgeschlossen wurden. 

Kiana nutzt dieser politische Hickhack wenig. Sie wurde jedenfalls selbst aktiv: Nach ihrem Suizidversuch hat sie gemeinsam mit Freunden eine Gruppe für Mental-Health-Awareness gegründet: Name: "Change For The Youth" .