Warum es auf der U4 derzeit so viele Sperren gibt
Von Anna Perazzolo
157 Tage sind etwas mehr als 22 Wochen. Das ist jetzt keinesfalls unnützes Wissen, sondern der Zeitraum, in dem heuer an der Linie U4 gebaut wird. Natürlich nicht in einem Stück, sondern zwischen März und Dezember.
Also ja, die Hauptverdächtige für Ärger und Unmut bei den Fahrgästen der Wiener Linien ist auch im heurigen Baustellensommer wieder die Linie U4. Wirklich neu ist das für Öffi-Nutzer natürlich nicht. Schon in den vergangenen Jahren war das der Fall.
Ein Blick zurück
Warum aber genau auf dieser U-Bahn-Linie so viele Bauarbeiten anfallen, das dürfte nicht ganz so bekannt sein. Der Blick muss in die Vergangenheit gerichtet werden: In den 1960er-Jahren nahm in Wien die Zahl der Pkw rasant zu. Um mehr Platz für den privaten Verkehr zu schaffen, wurde in der Stadt – nicht zum ersten Mal – eine Diskussion über den Bau einer U-Bahn begonnen. Schließlich fasste der Gemeinderat 1968 den Beschluss, ein „Grundnetz“ mit den Linien U1, U2 und eben der U4 zu bauen.
Für die U1 wurde eine neue Trasse gebaut, die U2 wurde auf der ehemaligen Unterpflaster-Straßenbahn – einige Straßenbahnstrecken wurden nach dem Zweiten Weltkrieg unter die Erde verlegt – geführt. Und für die U4 verwendete man die bestehende Stadtbahnstrecke Wiental–Donaukanal, die bereits zwischen 1898 und 1901 in Betrieb genommen wurde. Damit ist die U4 die U-Bahn-Linie mit der ältesten Infrastruktur. Ein Großteil der Stadtbahn-Strecke ist mehr als 100 Jahre alt, heißt es bei den Wiener Linien.
Um den Betrieb der U4 auf der Stadtbahnstrecke überhaupt möglich zu machen, wurde ab 1969 einiges modernisiert. Die gesamte technische Infrastruktur wurde umgerüstet, der Linksverkehr auf Rechtsverkehr umgestellt, und es wurden zusätzliche Stationszugänge samt Aufzügen gebaut. Die von Otto Wagner errichteten Stationsgebäude hatten bis dahin nämlich nur Stufen, berichten die Wiener Linien.
Seit 10 Jahren in Arbeit
Und dennoch, das Alter der Infrastruktur hinterlässt Spuren, und der U-Bahn-Betrieb nutzt zusätzlich ab. Die Wiener Linien haben der U4 deshalb eine ganze Modernisierungsoffensive mit dem Namen „NEU4“ gewidmet.
Seit 2014 wird die grüne U-Bahn-Linie großflächig saniert und modernisiert. „Seit zehn Jahren wird fast jede Nacht gearbeitet“, sagt eine Sprecherin der Wiener Linien. Dabei würden Arbeiten durchgeführt, von denen die Fahrgäste nichts mitbekommen. Zum Beispiel der Bau der Wendeanlage in Hütteldorf, der Einbau zusätzlicher Weichen oder die Erneuerung von Fundamenten und Stützen.
Daneben gebe es aber auch Arbeiten, die nicht in der betriebsfreien Zeit – sprich in der Nacht – durchgeführt werden könnten, so die Sprecherin. Für die Erneuerung von Tunnelträgern oder den Tausch von Weichenanlagen müsse der laufende Betrieb unterbrochen werden. Das war in den vergangenen Jahren immer wieder der Fall und wird auch heuer noch mehrmals passieren (siehe Grafik unten).
Begonnen wird damit bereits heute, Samstag 23. März. Zwischen Schwedenplatz und Schottenring müssen Weichen getauscht werden. Fahrgäste können auf die Linie 1 und 71, die eigens dafür bis zum Schwedenplatz verlängert wird, ausweichen.
Bei geübten Öffi-Fahrern wird aber genau dieser Streckenabschnitt Erinnerungen an das vergangene Jahr wecken. Damals gab es auf der U4 im gesamten Juli zwischen Schwedenplatz und Schottenring keinen Betrieb. Stahlbetonträger mussten saniert, die Tunneldecke am Franz-Josefs-Kai abgedichtet werden. Und ja, neue Weichen mussten eingebaut werden.
Einmal ist keinmal
Warum es heuer – schon wieder – genau diesen Abschnitt zwischen Schwedenplatz und Schottenring betrifft, liegt laut Wiener Linien am Platzmangel. Aufgrund der „beengten Platzverhältnisse im Tunnel“ müssten manchmal gleiche Abschnitte mehrmals hintereinander gesperrt werden. „Erneuerungen von kompletten Gleisabschnitten und Weichen können beispielsweise nicht gleichzeitig mit den Arbeiten an den Tunnelträgern stattfinden“, sagt die Sprecherin. Solche Vorhaben würden zeitversetzte Bauphasen und damit auch entsprechend gestaffelte Einschränkungen der Linie erfordern.
Insgesamt 300 Millionen Euro investieren die Wiener Linien in die gesamte Modernisierungsoffensive der U4. Wie viel für die Modernisierung der restlichen U-Bahn-Linien ausgegeben wird, wurde nicht bekannt gegeben. Das lasse sich aufgrund der Größe des Projekts der U4 nicht vergleichen, heißt es.
Der letzte Sommer
Aber auch das riesige U4-Projekt hat ein Ende: 2025 soll der letzte Baustellensommer der grünen Linie ins Haus stehen. Bis dahin müssen heuer aber noch 157 Tage Unterbrechungen und Sperren überstanden werden. Das sind 22 Wochen.