Schnapsidee: Raki aus dem Freihausviertel
Von Nina Oezelt
Stundenlang sitzt man mit Freunden am Tisch. Meist in einer „Meyhane“, einer Taverne. Der Raki-Konsum gleicht in der Türkei einem Ritual. Schon lange träumte Mehmet Uysal davon, die sogenannten Raki-Tische nach Wien zu bringen.
Kaum eine Tradition ist ihm lieber: Zum alkoholischen Getränk mit Anisgeschmack isst man Meze. Das sind türkische Tapas mit Zutaten wie Melanzani, Joghurt, Kichererbsen, Salat oder Fisch. Man kostet sich durch. Man isst nicht aus Hunger, man trinkt nicht aus Durst. Es geht um die Gesellschaft. Und man spricht über Gott und die Welt. Man singt und tanzt.
Der 36-jährige Mehmet Uysal kam mit 20 Jahren von Ankara nach Wien. Er studierte zwar Architektur, arbeitete aber lieber in der Gastronomie und wurde Getränke-Händler. So ein Raki-Tisch fehlte ihm aber. Und noch viel mehr ein Raki, der nach Wien passt.
Memo und Rick
Jetzt arbeitet Uysal in einem Untergeschoss. Gleich neben dem Schikander, mitten im sogenannten Freihausviertel. Er schüttet mit seinem Partner Patrick Martinelli Gewürze und Alkohol in den Destillator.
„In Wien kennt man Mehmet unter dem Namen Memo“, sagt Patrick, der sich selbst übrigens Rick nennt. Gemeinsam produzieren sie Wiens ersten Raki. Und nennen ihn Ottoraki. In dem Gewürzsack befinden sich Sternanis, Orangenblüten, getrocknete Feigen, Kardamom und Süßholz.
Zwei Tage lang wird der Alkohol dann mit den Gewürzen angereichert. Danach wird die Flüssigkeit abgezogen und in der eigens angefertigten Destille in einem Wasserbad (50 Prozent Alkohol und 50 Prozent Wasser) destilliert. „Die Phase heißt Mazeration“, sagt Martinelli. Danach wird der Alkohol gebrannt. Wenn er fertig ist, hat er 45 Prozent Alkohol.
Louche-Effekt
Besonders ist auch die Raki-Farbe: Bei Zimmertemperatur ist er klar. Mischt man Wasser dazu, wird er milchig. Man nennt die Verwandlung den „Louche-Effekt“. Je trüber das Glas, umso höher der Anisgehalt.
Ottoraki
Eine Flasche (0,7 l) um 39,90 Euro (ottoraki.com) oder als Cocktail in mehreren Wiener Bars – etwa der „Otto Smashed“ in der Plus43-Bar (7., Westbahnstr. 10)
Rick Spirit World
Gin-Workshops, 150 Euro pro Person; rick-spirit.com
Die Weinbasis, die für den Ottoraki genützt wird, ist ein Weißburgunder aus der Steiermark von Martinellis Familie. Der Wein wird hoch destilliert und hat anfangs noch 89 Prozent Alkohol. Bis „Memo und Rick“ ihre Raki-Variation hatten, hat es gedauert. „17 Variationen haben wir getestet“, sagt Uysal. Die finale Version ist milder, eine Wiener Version eben, erklären sie.
Auf Anis-Schnaps schwören nicht nur die Türken. „Raki heißt bei den Griechen Ouzo, bei den Franzosen Pastis, bei den Arabern Arak und bei den Italienern Sambuca“, sagt Uysal. Dem Gewürz Anis wird eine aphrodisierende und heilende Wirkung zugeschrieben. Manche sehen den Schnaps als eine Art Medizin.
Skeptisch bis problematisch sieht das übrigens der konservative Präsident Recep Tayyip Erdogan in der Türkei. Der sagte schon vor Jahren: Nicht Raki, sondern Ayran sei das Nationalgetränk des Landes. Der Raki-Preis ist seit seiner Machtergreifung (vor 20 Jahren!) ins Unermessliche gestiegen. Die Steuern wurden auf fast 50 Prozent erhört. Viel werde illegal produziert, nicht immer ist das ungefährlich.
Außerdem darf man in der Türkei Alkohol nicht mehr nach 10 Uhr abends kaufen, und auch im Fernsehen, werden Gläser mit Alkohol verpixelt. Dafür haben liberale Türken oft wenig Verständnis. „Beim Raki trinken weint und lacht man, man nimmt sich Zeit, man will nicht betrunken sein, man trinkt schlückchenweise und genießt die Zeit“, erklärt Uysal.