Chronik/Wien

Margarete Schütte-Lihotzky: Küche in ihrer Wiener Wohnung rekonstruiert

Von außen sieht man dem hellgrauen Haus in der Franzensgasse in Wien-Margareten nicht an, dass es ein Architekturjuwel beherbergt.  Von 1970 bis zu ihrem Tod im Jahr 2000 lebte hier die Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky. Ihre heute denkmalgeschützte Wohnung, die sie nach eigenen Entwürfen gestaltete, ist seit zwei Jahren als Wohnungsmuseum zu besichtigen. Und das seit Mittwoch auch in seiner Gesamtheit: Denn nun wurde auch die Küche der Architektin originalgetreu rekonstruiert, so wie sie die Vordenkerin selbst geplant und verwendet hat. 

In satten Farben leuchtet der knapp fünf Quadratmeter große Raum seinen Besuchern entgegen, die Fronten in warmem Grün finden ihren Kontrapunkt in dunkelorangen Arabeskenfliesen, der weißen Arbeitsplatte und den lärchenholzfurnierten Oberschränken. Ein großes Fenster gibt den Blick auf die Terrasse und die dahinter liegenden Dächer von Margareten frei, eine Durchreiche öffnet sich seitlich in den Wohn- und Essbereich. "Die Küche steht in direkter Verbindung mit den Essplätzen in der Wohnung und auf der Terrasse", erklärt Christine Zwingl, Architektin und Leiterin des Margarete Schütte-Lihotzky Zentrums.

Frankfurter Elemente

Diese kurzen Wege und durchdachten Abläufe stehen in der Tradition des Entwurfs, für den die ehemalige Mitarbeiterin von Adolf Loos international berühmt wurde: die Frankfurter Küche, die sie 1926 entwarf und die als Prototyp der heutigen Einbauküche gilt. Der damals revolutionäre Ansatz der Wienerin: die Rationalisierung der Hausarbeit. Die zunehmend berufstätigen Frauen sollten durch die Optimierung der Arbeitsabläufe weniger Zeit für Haushalt und Küche aufwenden müssen und dadurch mehr Zeit für andere Dinge gewinnen. 

"Von ein paar Funktionen der Frankfurter Küche hat sie sich nie getrennt", sagt Architektin Renate Allmayer-Beck vom Planungsbüro mobimenti, das mit der Sanierung beauftragt wurde. Sie zeigt auf die Schütten zwischen der Abwasch und dem originalen AEG-Herd von 1969 und klappt ein kleines Bügelbrett aus der Wand. Beides sind klassische Elemente der Frankfurter Küche. Doch hier, in ihrer Margaretner Wohnung, hat Schütte-Lihotzky die Pläne an ihre Bedürfnisse im Alter angepasst, etwa durch eine niedrige Arbeitshöhe und Auszüge, die das Arbeiten im Sitzen erleichtern.

Alle Inhalte anzeigen

Dass der Raum so detailgetreu rekonstruiert werden konnte, ist auch dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass Zwingl und Allmayer-Beck in den 1980er und 1990er Jahren viel Zeit in der Wohnung verbrachten, um der Architektin bei der Aufarbeitung ihres Archivs zu helfen. Dabei machte Allmeyer-Beck viele Fotos, die bei der Restaurierung als Referenz dienten.

Dennoch glich die Rekonstruktion in weiten Teilen einer Detektivarbeit, da viele Elemente wie Spülbecken und Armaturen heute nicht mehr in dieser Form hergestellt werden. Auch die Suche nach möglichst originalgetreuen Wandfliesen gestaltete sich schwierig. "Als wir dann kurz vor Weihnachten eine Vintage-Musterfliese aus Deutschland erhielten, war das wie ein Weihnachtsgeschenk", erzählt Allmeyer-Beck. 

Alle Inhalte anzeigen

Schütte-Lihotzky hatte verfügt, dass nach ihrem Tod eine gute Freundin das Wohnrecht in der Franzensgasse erhalten sollte. Diese habe die Wohnung sehr gut in Stand gehalten, wie Zwingl betont, habe aber statt der schon sehr abgenutzten und teilweise kaputten Küche eine neue, weiße einbauen lassen. Jetzt sind wieder leuchtende Farben in den Raum eingezogen. "Die Raumproportionen wirken so viel besser", schwärmt Allmeyer-Beck. Insgesamt sei es bemerkenswert, wie viel Atmosphäre man auf nur 55 Quadratmetern Wohnraum schaffen könne, sagt sie. Klare Linien, warme Farben und simple, funktionale Einbaumöbel ziehen sich durch die ganze Wohnung.

Ein historischer Ausnahmefall

Dass die Architektin bis heute vor allem mit der Frankfurter Küche in Verbindung gebracht wird, hat die Wienerin schon zu Lebzeiten irritiert - denn ihr Werk ist viel umfangreicher. "Ich bin keine Küche", sagte Schütte-Lihotzky, die selbst nie gekocht hat, einmal. Als eine der ersten Architektinnen Österreichs engagierte sich Schütte-Lihotzky im sozialen Wohnbau und in der Wiener Siedlerbewegung, im Zweiten Weltkrieg wurde sie als Widerstandskämpferin inhaftiert. Im Wien der Nachkriegszeit erhielt sie als Kommunistin kaum noch Aufträge, "während ehemalige Nazis die ganz großen Aufträge bekamen", wie sie einmal sagte. Erst in den 1980er Jahren begann die öffentliche Anerkennung ihrer Arbeit. 

"Ihre ganze Geschichte ist ein historischer Ausnahmefall", sagt Zwingl. "Es ist auch ein Ausnahmefall, dass ihre Wohnung erhalten werden konnte." Näher als hier kann man dem Kern von Schütte-Lihotzkys Werk nicht kommen.