Luxuskaufhäuser: Wo der Wiener hofiert werden will
London hat Harrods. Paris die Galeries Lafayette. Und Berlin das Kaufhaus des Westens, kurz KaDeWe. Und Wien? Wien fehlt ein Nobel-Warenhaus dieses Formats. Das war nicht immer so – und es dürfte auch nicht so bleiben.
Das zeigt: Die Beziehung der Wiener zu luxuriösen Konsumtempeln ist ein bisschen kompliziert. Um sie zu verstehen, hilft ein Streifzug durch die Geschichte der Warenhäuser.
Die ersten Wiener Kaufhäuser entstanden im 19. Jahrhundert. Sie waren aber nicht das, was man sich heute darunter vorstellt. Das Sortiment war damals auf einen Sektor beschränkt – zu haben waren vor allem Kleidung und andere Textilien.
Das hat mit den Wurzeln der Kaufhäuser zu tun: Sie entwickelten sich großteils aus den Zentralen von Textilmanufakturen.
Warenhaus statt Zentrale
Diese arbeiteten in der Monarchie nach dem Verlagssystem. Das bedeutet: In der Manufaktur (die auch als Geschäfts- und Verwaltungszentrale diente), wurden nur einige wenige Arbeitsschritte erledigt. Den Rest übernahmen Heimarbeiterinnen.
Angesiedelt waren die Textilmanufakturen vorwiegend im 1., 6. und 7. Bezirk. „Sie waren die Basis für die Warenhäuser“, sagt Gerhard Meißl, der für das Stadt- und Landesarchiv die Geschichte der Wiener Kaufhäuser aufgearbeitet hat.
Diese Textilunternehmer waren es, die (nach dem Vorbild von Kaufhäusern in anderen Metropolen) an ihren Firmensitzen mit großen Verkaufsflächen und einer bisher nicht da gewesenen Form der Warenpräsentation zu experimentieren begannen.
Zwei Kaufhaus-Wellen
Als erstes Warenhaus großen Stils gilt das Haas-Haus: Es wurde 1867 als Teppichhaus Haas eröffnet.
Im Vergleich mit London oder Paris war das relativ spät. Zu erklären ist das laut Experten mit dem generellen Nachhinken Wiens in der wirtschaftlichen Entwicklung.
Auf das Teppichhaus folgten bald Rothbergers Warenhaus am Stephansplatz und das Geschäftshaus Zwieback in der Kärntner Straße. Beide verkauften Mode.
Die zweite große Kaufhaus-Welle rollte in Wien um die Wende zum 20. Jahrhundert an: mit Gerngross, Herzmansky und dem Warenhaus Esders in der Mariahilfer Straße.
In diesen „Etablissements“ (wie etwa das Warenhaus Esders beworben wurde) einzukaufen, das konnte sich nur eine bestimmte Klientel leisten: Bürgerliche. Arbeitern blieb nur das Schauen.
Aber: „Richtige Luxus-Kaufhäuser waren das nicht“, sagt Experte Meißl. Die teure Ware kaufte man andernorts. Und das hat mit der Monarchie zu tun.
Kaiserlich einkaufen
„In Wien gab es viele kleine Luxusläden, die den Hof belieferten. Dort hinzugehen, sich beraten zu lassen: das galt als nobles Verhalten“, sagt Andreas Weigl, Experte für Konsumgeschichte an der Uni Wien.
Soll heißen: Die richtig Wohlhabenden gingen zu den Hoflieferanten (die bereits ihre etablierten Standorte hatten) und nicht ins Kaufhaus. Diese Tradition wirke nach – bis zu einem gewissen Grad bis heute, so Weigl.
So mancher Unternehmer hat es trotzdem mit einem Nobel-Kaufhaus versucht: 1922 eröffnete bei der Karlskirche ein Einkaufszentrum für Luxuswaren. Sogar Automobile bot man dort an. Die Kunden blieben jedoch aus, der Luxustempel wurde ein Stadtheuriger.
Einen neuen Anlauf unternimmt nun Signa: Bis Herbst 2024 baut der Immo-Entwickler in der Mariahilfer Straße ein Kaufhaus. Und zwar dort, wo sich einst das Warenhaus Esters befand.
Ein Luxus-Center sei nicht geplant, heißt es vonseiten Signa zwar immer wieder. Aber: Als Vorbild wird das Berliner KaDeWe genannt.
Weigl sieht gute Chancen, dass ein solches Nobel-Kaufhaus funktioniert: „Es gibt eine Schicht, die darauf anspricht.“ Diese Gruppe der Vermögenden habe zwischen und nach den beiden Weltkriegen gefehlt, wachse seit der Jahrtausendwende aber an.
Das Ende der Beziehungsprobleme zwischen Wien und den Luxuskaufhäusern könnte also in Sicht sein.