Krankenhaus Nord: So läuft die Generalprobe für den Echtbetrieb
Herr Paul hat starke Bauchschmerzen. Eigentlich wollte er zu seinem Hausarzt. Da dieser aber schon geschlossen hat, fährt der 36-Jährige in die Notaufnahme im Krankenhaus Nord.
„Wie lange haben Sie schon Schmerzen?“, will die Mitarbeiterin am Empfang wissen. „Seit gestern“, sagt Herr Paul. Diese Antwort und auch jene auf ihre weiteren Fragen tippt die Frau in blauem Schlupfhemd in den Computer ein. Dann muss Herr Paul im Wartezimmer Platz nehmen – obwohl es leer ist.
„Herr Paul zur Ersteinschätzung“, ruft die Dame nach einigen Minuten. Doch Herr Paul hört sie nicht. Die Sprechanlage funktioniert nicht. Die Mitarbeiterin versucht es noch einmal. Beim dritten Mal schallt ihre Stimme durch die Lautsprecher. Herr Paul betritt ein kleines Behandlungszimmer neben dem Empfangsschalter.
Herr Paul ist einer der Testpatienten, mit denen das künftige Team der Zentralen Notaufnahme im Krankenhaus Nord den Betrieb probt. „Selbstkommend, Bauchschmerzen“, steht auf einem Kärtchen, das er an einem roten Band um den Hals trägt.
Denn in drei Wochen wird es in der Brünner Straße 68 ernst: Am 3. Juni wird der erste reguläre Patient behandelt – nach einer jahrelangen Verzögerung der Eröffnung und Kostenüberschreitungen.
Kraftakt
Drei komplette Spitäler und mehrere Abteilungen aus fünf weiteren Häusern werden in das Krankenhaus Nord übersiedeln - der KURIER berichtete. Den Anfang machen ab 27. Mai das Krankenhaus Floridsdorf und zwei Abteilungen aus dem Otto-Wagner-Spital.
Herr Paul sitzt inzwischen wieder auf einer Bank im Warteraum. In dem Behandlungszimmer hat eine Krankenpflegerin seinen Blutdruck und die Sauerstoffsättigung gemessen. Die Tischchen im Warteraum sind bereits mit Magazinen und Broschüren bestückt. Viel Zeit zum Lesen hat Herr Paul aber ohnehin nicht. Wieder meldet sich der Lautsprecher: „Herr Paul in Behandlungsraum 5.“
Damit Allgemeinmedizinerin Birgit Scheu Herrn Pauls Bauch abtasten kann, muss er sich auf eine Liege legen. „Hatten Sie schon einmal eine Operation?“, fragt sie und greift zum Stethoskop.
Doch mit dem Abhören ist es nicht getan. Schon steht Krankenpflegerin Kimberley neben der Liege. Zuerst spürt Herr Paul eine kühlende Flüssigkeit in seiner rechten Armbeuge.
Dann kurz Schmerz: Kimberley nimmt ihm Blut ab.
Per Rohrpost schickt sie die drei Proben ins Labor. Hier übernehmen die Maschinen den Großteil der Arbeit: Ein Gerät nimmt die Röhrchen aus dem Transportbehälter und setzt sie in die Laborstraße. Für Herrn Paul sind ein Blutbild, Gerinnungswerte und chemische Analysen angefordert – das nimmt weniger als eine Stunde in Anspruch.
Automatisches Labor
Zwischen 3.000 und 5.000 Proben wird das Labor täglich untersuchen, sobald das Krankenhaus Nord in Vollbetrieb ist. Im September soll es so weit sein. Mehr als 860 Pflegekräfte und 400 Ärzte arbeiten dann in dem Spital. Sie werden pro Jahr 46.000 stationäre Aufnahmen abwickeln.
Der Befund von Herrn Paul ist fertig: „Er kommt automatisch zum Anforderer zurück“, erklärt Walter Krugluger, Vorstand des Instituts für Labormedizin. Doch das ist nur der Plan: Weil die EDV noch nicht ganz mitspielt, muss sich Krugluger dann doch persönlich darum kümmern, dass seine Kollegin die Ergebnisse bekommt.
40 Szenarien auf dem Spielplan
„Sonst hat bis jetzt alles zu unserer Zufriedenheit funktioniert“, beteuert Krugluger. Er und seine Kollegen werden bis zur Inbetriebnahme 40 Szenarien durchgespielt haben – darunter die Abläufe im Zentral-OP und in der Geburtshilfe.
„Ihre Bauchspeicheldrüsenwerte sind erhöht“, sagt Scheu zu Herrn Paul, der wieder in der Behandlungskoje sitzt. „Das kann von einem Gallenstein sein. Wir würden sie daher gerne stationär aufnehmen.“
Wäre Herr Paul ein realer Patient, würde er nun eines der 785 Betten zugewiesen bekommen. Da es aber die Verfasserin dieser Zeilen ist, die für den Probebetrieb in seine Rolle schlüpfte, verlässt „Herr Paul“ das Krankenhaus Nord dieses Mal.
Und darf hoffen, dass die kleinen Wehwehchen des neuen Spitals bis Juni kuriert sind.