Wiener Polizei sucht Strategien gegen Jugendkriminalität und Gewalt
Die Wiener Polizei will im Jahr 2024 einen Schwerpunkt auf das Thema Jugendkriminalität legen, auch wenn dieses Phänomen nicht mit kriminalpolizeilichen Mitteln allein in den Griff zu bekommen ist.
Das sagte Polizeijurist Walter Dillinger am Montag bei einem Hintergrundgespräch vor Journalisten. Ein Ansatz dabei ist eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe "Kinder- und Jugendkriminalität", die sich im Jänner konstituiert hat und hofft, neue Strategien zu entwickeln.
Dass Jugendliche kriminell werden, ist nicht neu. "Aber die Intensität der Gewalt hat in den letzten Jahren sehr zugenommen. Da sind sich alle in der Arbeitsgruppe einig", betonte Dillinger. Mittlerweile ist die Gruppe rund 50 Köpfe stark.
Beteiligt sind unter anderem Vertreter von Polizei und Justiz wie Staatsanwaltschaften, Gericht, Justizanstalten, die Wiener Magistratsabteilungen 11 (Jugend und Familie), 13 (Bildung und Jugend) und 17 (Integration und Diversität), Familiengerichtsvertreter, der Bewährungshilfeverein Neustart und die Jugendzentren (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).
Die Gruppe will sich bis zum Sommer zunächst auch die Rechtslage ansehen und auf Verbesserungsbedarf überprüfen. Aber: "Es ist kein Ziel, die Strafmündigkeit herabzusetzen", stellte Dillinger klar. "Es bringt niemandem etwas, wenn Zwölf- oder 13-Jährige Vorstrafen haben."
Kinder und Jugendliche sowohl Täter als auch Opfer
Dass gerade im vergangenen Jahr spektakuläre Fälle den Blickpunkt auf das Thema Jugendkriminalität gelenkt haben, schilderte Gerhard Winkler, Leiter des Ermittlungsbereichs im Wiener Landeskriminalamt.
Im Meidling hatte sich eine siebenköpfige Tätergruppe im Alter von 14 bis 18 einen Handyshop als Ziel auserkoren. Brandanschläge - unter anderem mit einem Molotowcocktail -, ein Überfall in dem Geschäft ging auf das Konto der Bande. Das Ziel war, vom Besitzer 25.000 Euro Schutzgeld zu erpressen.
Am und um den Liesinger Platz trat 2023 eine Häufung von Straftaten auf - Körperverletzungen, Sachbeschädigungen und Überfälle. "Gewisse Bereiche werden zu Unsicherheitszonen", umriss Winkler das Problem. Im Liesinger Fall waren Kinder und Jugendliche sowohl Täter als auch Opfer.
Täter stammen oft aus zerrütteten Verhältnissen
Die Polizei ermittelte in dem Bereich 22 Verdächtige, 14 davon Jugendliche, die anderen acht strafunmündig - also jünger als 14. Der rote Faden für die Täterprofile laut Winkler ist, dass sie sehr oft aus zerrütteten Verhältnissen stammen, "eine gewisse Bildungsfeindlichkeit" - kein Interesse am Schulbesuch zum Beispiel -, und die Eltern sind oft nicht in der Lage, ihre Sprösslinge entsprechend zu betreuen.
Einer der wichtigsten präventiven Ansätze für die Polizei ist die Zusammenarbeit mit den Pflichtschulen, wie Präventionsbeamtin Christine Gabriel ausführte. Man habe sich mit den Schuldirektoren in Wien zusammengesetzt.
Es gibt Veranstaltungen mit Präventionsbeamten, für verunsicherte Lehrer, Erziehungsverantwortliche, Anrainer. Dabei geht die Wiener Polizei nach dem vom Bundeskriminalamt entwickelten Gesamtkonzept "Under 18" vor.
Eltern sollen über potenzielle Gefahren aufgeklärt werden
Es gibt auch Präventionsabende für Eltern, bei denen diese erfahren, welchen potenziellen Gefahren ihre Kinder ausgesetzt sind, bei denen ihnen Begriffe wie "Sexting" oder "Grooming" erläutert werden oder wo sie beispielsweise erfahren, wie sie ihren Sprösslingen altersgerechte Computerspiele anbieten können.
Gabriel räumte aber ein, dass das Angebot der Kriminalprävention nicht flächendeckend in Wien angeboten werden kann, zumal man es nicht bei einer Veranstaltung bewenden lassen will. "Wir haben über 700 Pflichtschulen in Wien, ein flächendeckendes Angebot ist ressourcentechnisch nicht möglich."