Rechtsextremer "Musterschüler"mit Anschlagsplänen am Montag vor Gericht
Dass nicht nur der Islamismus, sondern auch gewaltbereiter Rechtsextremismus eine Bedrohung für das Staatsgefüge darstellt und beide Ideologien gleichermaßen auf Jugendliche anziehend wirken können, zeigt eine Strafsache, die am kommenden Montag am Wiener Landesgericht verhandelt wird.
Ein 20-Jähriger muss sich vor Geschworenen verantworten, weil er als mutmaßliches Mitglied einer internationalen Neonazi-Gruppe in geheimen Internet-Foren Anschlagspläne erörtert haben soll.
Der Angeklagte soll sich als damals 17-Jähriger der rechtsterroristischen "Feuerkrieg Division" (FKD) angeschlossen haben, einer online vernetzten, bis zu 70 Mitglieder umfassenden Bewegung, die einen "Rassenkrieg" und "weißen Jihadismus" propagierte und Attentate auf Synagogen und Moscheen befürwortete.
Aufruf zu Terroranschlägen
Bei einer Hausdurchsuchung im Mai 2023 wurden bei dem jungen Wiener neben einschlägigem Propagandamaterial und NS-Devotionalen Schusswaffen sichergestellt. Laut Anklage soll er im bezeichnenderweise "Riot" (Aufstand) genannten Netzwerk der mittlerweile zerschlagenen "Feuerkrieg Division" mit Nachdruck zu Terroranschlägen aufgerufen und Anleitungen zum Bombenbauen und Herstellen von Schusswaffen verbreitet haben.
Die Staatsanwaltschaft Wien wirft ihm nun nationalsozialistische Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz, kriminelle Vereinigung, Verhetzung und Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen vor. Allfällige Tathandlungen in Richtung eines Attentats sind nicht inkriminiert.
Beweise, dass sich ein solches im Planungsstadium befunden und sich die terroristischen Absichten des Angeklagten konkretisiert hätten, ließen sich im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen offenbar nicht manifestieren. Wie sich der 20-Jährige in seiner Verhandlung verantworten wird, bleibt abzuwarten. Sein Verteidiger Peter Kraus wollte auf APA-Anfrage unter Verweis auf seine Verschwiegenheitspflicht keine Stellungnahme abgeben.
Fest steht jedenfalls, dass die Schulleitung der HTL, an der der Bursch 2021 maturierte, keine Ahnung von dessen rechtsextremen Umtrieben und Gewaltfantasien hatte, wie der Direktor vor wenigen Wochen der APA versichert hatte. Der Jugendliche galt zwar als verschlossen, war aber eine Art Musterschüler.
Im Rahmen eines Maturaprojekts entwickelten und produzierten er und drei Mitschüler als angehende Medientechniker eine mehrteilige SciFi-Serie, die sogar vom Privatsender Okto ausgestrahlt wurde. Auf dem Youtube-Kanal der Schule ist die Serie, in der drei Protagonisten mit einer Zeitmaschine in die Vergangenheit reisen, um ein Mysterium zu enthüllen und dabei versehentlich im Jahr 2020 landen, nach wie vor abrufbar.
Die heimischen Verfassungsschützer waren genau in diesem Jahr auf den damals 17-Jährigen aufmerksam geworden, der sich unter dem Usernamen "vOOrm" der "Feuerkrieg Division" angeschlossen und sich für die gewaltaffine "White Supremacy"-Bewegung engagiert haben dürfte.
"Er teilte mehrere Dateien, die eine rechtsextreme Radikalisierung, Waffenbau, Fallenbau, Unterlagen zu Guerilla-Kriegen sowie Anleitungen zum Aufbau und zur Führung von paramilitärischen sowie nichtmilitärischen Organisationen zum Thema hatten. Darüber hinaus wurden Anleitungen für Waffenmodifikationen mittels 3D-Drucker mit den radikalen FKD-Mitgliedern geteilt", heißt es über den jungen Mann im aktuellen Verfassungsschutzbericht 2023.
Die Ausforschung des Angeklagten gestaltete sich schwierig, da er aufgrund seiner Ausbildung seine elektronischen Spuren gekonnt durch Verschlüsselung zu verschleiern vermochte. Zunächst wurde irrtümlich davon ausgegangen, bei "vOOrm" handle es sich um einen User in Deutschland. "vOOrm" nutzte für sein Kommunikationsverhalten - er betrieb auch einen eigenen Telegram-Kanal namens "vOOrm's bunkerhole" mit etwa 265 Teilnehmern - CG-NAT-IP-Adressen, die keine Informationen über die Nutzerin oder den Nutzer beziehungsweise den tatsächlichen Aufenthaltsort eines Endgerätes geben.
Der Angeklagte gab in anderen sozialen Netzwerken seine Identität nicht preis und postete nichts unter seinem Klarnamen. Auf die Spur des "Feuerkriegers" kam die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) erst nach umfassenden Ermittlungen, dank internationaler Kooperationen und durch detaillierte Analysen von Chatinhalten. Eine Rolle dürfte dabei auch gespielt haben, dass er sich mit seinem Handy selten, aber doch ins WLAN seiner Schule eingeloggt hatte.
Die von der Anklage umfassten Chats machen das Gewaltpotenzial des jungen Mannes deutlich
"Soll ich mit den dreckigen Muslimen beten oder mich unter die Juden mischen, wenn sie eines ihrer Treffen abhalten, und ihm eine explosive Wendung geben?", fragte er einen seiner Gesprächspartner. An einer anderen Stelle riet er: "Oder du mixt einfach Bleiche mit Ammoniak in einer Flasche, schüttelst es ein bisschen und wirfst es in eine Gruppe von Juden." Bei der Mischung wird tödliches Chlorgas freigesetzt.
An einer anderen Stelle fantasierte der junge Mann, bald werde "die Zeit kommen", um "die Juden in die Schranken zu weisen".
Der Rechtsextremist hatte auch Kontakt zu jenem Attentäter, der im Oktober 2022 zwei junge Männer vor einem LGBTIQ-Lokal in Bratislava mit einer Schusswaffe tötete.
Die Auswertung der bei ihm sichergestellten Datenträger ergab weiters, dass er Informationen über rechtsterroristische Anschläge, Amokläufe, Attentäter, Waffen und Schießtrainings gesammelt und sich eine Sturmhaube, einen flammenhemmenden Overall, taktische Ausrüstung sowie militärische Kleidung besorgt hatte. Er soll sich auch explizit nach dem Wiener Stadttempel der Israelitischen Kultusgemeinde erkundigt haben - ein Indiz, dass es sich dabei um ein mögliches Anschlagsziel gehandelt haben könnte.
Aus dem aktuellen Verfassungsschutzbericht geht übrigens auch hervor, dass der Angeklagte an Treffen der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) teilgenommen hat. Er bezog von der IBÖ demnach auch Info-Material.