Chronik/Wien

Nach Untersagung: Aus rechter Demo in Wien wird eine "Standkundgebung"

Die Wiener Polizei untersagte die Veranstaltungen „Frieden und Neutralität! Gegen die Zuckerlkoalition!“ und „Frieden und Neutralität!“, die FPÖ-Anhänger zuvor angemeldet hatten. 

Wie am Freitagvormittag bekannt wurde, findet nun aber eine – genehmigte – Alternative statt: Um 14 Uhr treffen sich die Demonstrierenden auf dem Heldenplatz. „Laut Veranstalter sind 500 Personen angemeldet“, sagte Polizeisprecherin Julia Schick auf KURIER-Anfrage. 

„Diese Genehmigung hat mein Freund Peter Schutte von der Menschheitsfamilie durchbekommen! Wir haben unsere Anwälte eingeschaltet und werden mit der doch sehr fragwürdigen Untersagung zum Verfassungsgericht gehen“, heißt es dazu auf KURIER-Anfrage von Hannes Brejcha von der Initiative „Fairdenken“, die die Demo mitangemeldet hat. 

Brejcha hatte auf Telegram darüber fantasiert, dass 1,4 Millionen Menschen dem rechten Demo-Aufruf folgen würden. Aber warum wurden nun die ersten beiden Demonstrationen untersagt, eine Standkundgebung darf aber stattfinden? 

"Einzelfallentscheidung"

„Es handelt sich bei der Untersagung der Demonstration nicht um ein generelles Versammlungsverbot, sondern um eine Einzelfallentscheidung der Versammlungsbehörde aufgrund des Umstandes, dass der Anzeiger der Versammlung diese am Nachmittag des ersten Weihnachtseinkaufssamstags gegen die Fahrtrichtung der Ringstraße als Großdemonstration um den kompletten Ring führen wollte“, erklärte Schick weiter. 

Eine Genehmigung der beiden Demonstrationen hätte nach Einschätzung der Verkehrsexperten der Landespolizeidirektion Wien zu einem Zusammenbruch des Verkehrs im innerstädtischen Bereich und zum Teil in den umliegenden Bezirken geführt, heißt es weiter.

„Wegen des hohen innerstädtischen Individualverkehrs und einer noch zusätzlichen Belastung mit bis zu 600 Reisebussen muss die Ringstraße – auch wegen der derzeitigen Baustellensituation auf der Zweierlinie – als wichtigster Hauptverkehrsträger zwingend für Verkehrszwecke freigehalten werden“, sagte Schick. 

Keine „Marschbewegungen“ bei Standkundgebung

Bei der Standkundgebung hingegen gebe es keine „Marschbewegungen“, es komme dabei weder zu Beeinträchtigungen des Verkehrs noch zu einer „Störung der Erwerbsfreiheit der Betriebe in den Wiener Straßen“. 

Dieser Faktor spielte neben dem Verkehrsfluss bei der Entscheidung der Behörde auch eine Rolle. Die Landespolizeidirektion Wien bat die Wirtschaftskammer in diesem Zusammenhang um eine Stellungnahme, in welcher diese die „Bedenken der Wirtschaft artikuliert hat“, wie es aus der Wirtschaftskammer Wien heißt.

Dies sei vor dem Hintergrund real sinkender Umsätze und der besonderen Bedeutung des Weihnachtsgeschäfts – insbesondere der umsatzstarken Einkaufssamstage – für den Handel in einer ohnehin sehr schwierigen Zeit herausfordernd. 

"Umsätze finden sonst woanders statt"

„Angesichts des Umsatzentgangs und der Häufigkeit der Demonstrationen an immer denselben Stellen sind die Unternehmer in ihrer beruflichen Arbeit stark berührt. Umsätze, die nicht im stationären Handel getätigt werden, finden ansonsten andernorts statt“, heißt es weiter aus der Wirtschaftskammer. 

Das kann auch ein Unternehmer bestätigen, dessen Betrieb im Luxussektor  genau auf der Route der Demonstrierenden gelegen wäre. „Die Weihnachtssamstage sind für uns umsatzstärksten Tage im Jahr. Wenn nun solche Großdemos stattfinden und die Polizei etwa auch davor warnt, mit dem Auto in die Innenstadt zu fahren, dann ist das keine Freude für uns“, so der Geschäftsmann, der anonym bleiben möchte.  

Wann sticht Erwerbsfreiheit Versammlungsrecht?

Die Entscheidung der Polizei, die beiden Demonstrationen der FPÖ-Anhänger abzusagen, sorgt aber auch für Kritik. „Ich finde es schon etwas befremdlich“, sagt Verfassungsjurist Peter Bußjäger

Die Erwerbs- könne die Versammlungsfreiheit zwar „schlagen“, dafür müssten aber driftige Gründe vorliegen. „Es ist immer ein Abwägungsprozess.  Folgt man aber der Argumentation der Polizei, dann dürften in der Vorweihnachtszeit in Wien an vielen Orten keine Demonstrationen mehr stattfinden“ , erklärt Bußjäger.