Chronik/Wien

Rechte Störaktion vor Kinderbuchlesung: Eingang von Bücherei zugemauert

Candy Licious  las die Geschichte von Julian vor. 

Julian, der Meerjungfrauen so sehr liebt, dass er am liebsten selbst eine wäre.  Julian, der in der U-Bahn auf dem  Nachhauseweg Frauen in Meerjungfraukostümen sieht und sich zu Hause als eine verkleiden will. Julian, der eine Oma hat, die ihn so akzeptiert, wie er ist.  

Die Lesung der Wiener Drag Queen war für Freitagnachmittag in der städtischen Bücherei Mariahilf anberaumt. Ein Programmpunkt der Vienna Pride, die – wie berichtet – seit Anfang Juni als Zeichen der Toleranz zelebriert wird. 

In der Nacht auf Freitag allerdings kam es zu einem Zwischenfall. Unbekannte Täter „mauerten“ den Eingang zur Bücherei in der Gumpendorfer Straße mit einer (dünnen) Wand aus Betonbausteinen und PU-Schaum zu. Darauf zu lesen:  „#nopridemonth“. Also: kein Kein-Pride-Monat. Außerdem wurden dort Flyer gefunden, auf denen gegen die „sexuelle Propaganda“ gewettert wird.

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Die Polizei bestätigte den Vorfall auf KURIER-Anfrage: „Zeugen sind bislang keine bekannt“, sagte Polizeisprecher Markus Dittrich. Mitarbeiter der Bücherei hatten die Mauer vor dem Eingang  in der Früh entdeckt. 

Kritik an der Polizei

Das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) ermittelt nun   wegen des Verdachts der Verhetzung. Wer hinter der Aktion steckt, war am Freitag noch unklar. Rechtsextreme hatten jedoch bereits im Vorfeld in sozialen Netzwerken Stimmung gegen die Lesung gemacht.

Daran, dass die Polizei die Störaktion nicht im Vorfeld verhindert hat, gibt es nun Kritik:  „Es ist völlig unverständlich, dass das passieren konnte. Sie waren seit Wochen informiert, dass reaktionäre und rechtsextreme Gruppen in großem Stil gegen die Pride mobilisieren“, sagt die LGBTIQ-Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic.

Ob die Polizei bereits in den Tagen vor der Veranstaltung ermittelt hat, konnte ein Sprecher dem KURIER aus „ermittlungstaktischen Gründen“ nicht beantworten. Die Verantwortlichen der Büchereien, meinte ein Sprecher, seien vorbereitet gewesen – und auch schon vorab mit der Polizei in Kontakt. 

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Anfeindungen

Angriffe auf LGBTIQ-Personen (Personen, die sich  als lesbisch, schwul, bi-, trans-, intersexuell oder queer identifizieren) sind keine Seltenheit.  2021 wurden in Österreich 299 sogenannte polizeilich motivierte Vorurteilsmotive angezeigt, also Hate Crimes, die homosexuelle Personen betrafen. 

Erst am Dienstag berichtete Anne-Sophie Otte, Sprecherin der Wiener Homosexuellen-Initiative, von Aktionen und Anfeindungen rund um die Hosi-Zentrale im 4. Bezirk. 
Die Pride, die weltweit im Juni gefeiert wird, soll auch in Wien für mehr Toleranz werben.

Erstmals fährt  die Stadt heuer deshalb eine breite Kampagne, ließ Plakate, auf denen Männer mit Männern  und Frauen mit Frauen schmusen, auf Wände, Tafeln und Straßenbahnen kleben, sowie auf digitale Werbeflächen schalten.  Auch die städtischen Büchereien beteiligen sich an der Pride.

Die Auslage der Bücherei in Mariahilf etwa ist ein Plädoyer für Vielfalt: mit Regenbogenfahne, Buchtipps zum Thema und  Schautafeln zu unterschiedlichen  – auch gleichgeschlechtlichen – Familienkonstellationen. 

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30 Kinder kamen am Freitag zur Lesung von Candy Licious – trotz der Störaktion. „Mir ist wichtig, zu zeigen, dass ich nach wie vor für ein Miteinander bin“, sagt Candy Licious. Es war ihre erste Lesung als Drag Queen. „Aber nicht meine letzte.“ 

Auch die Büchereien werden weiterhin solche Lesungen veranstalten, heißt es.