Chronik/Wien

Muss das Café Wortner schließen? Es wäre ein großer Verlust

Wenn sie vom Wiener Kaffeehaus sprechen, denken die meisten an die großen Ringstraßencafés wie das Landtmann oder das Prückel, oder an die berühmten Literatencafés in der Herrengasse wie das Central oder das Griensteidl.

Dabei sind die außerhalb der Innenstadt gelegenen Cafés für das Stadtleben mindestens so wichtig. Das Wortner in der Wiedner Hauptstraße, eines der letzten seiner Art, ist ein exzellentes Beispiel dafür, was ein solches Kaffeehaus alles leisten kann.

Der wunderbare Schanigarten verleiht dem kleinen Platz vor dem Lokal in der warmen Jahreszeit den lebendigen Charakter einer mediterranen Piazza (wie passend, dass sich gleich ums Eck ein beliebtes Eisgeschäft befindet!). Überhaupt ist das Wortner so etwas wie der Kirchenwirt des Grätzels. Wer im Vierten etwas zu besprechen hat oder sich nach der Arbeit auf ein Getränk zusammensetzen möchte, landet ziemlich sicher im Wortner.

Zur Klientel des Wortner gehören unter anderem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der nahe gelegenen Wirtschaftskammer, und dass sich im Einzugsbereich des Kaffeehauses drei Gymnasien befinden, ist dem Geschäft sicher auch nicht abträglich.

Bis zum letzten Absacker

Vom Frühstück über den Mittagstisch bis zum späten Happen; vom ersten Espresso bis zum letzten Absacker: Lokale wie das Wortner decken fast alle kulinarischen Bedürfnisse ab, die der Tag so bringt – ein Kaffeehaus für alle Fälle.

Schönes Platzerl

Die Nachricht, dass das Café Wortner in wirtschaftlichen Problemen steckt kommt auch deshalb überraschend, weil das Lokal sich ja großer Beliebtheit erfreut (sprich: es ist voll).

Der Künstler Mario Soldo, der in der Nähe eine Galerie betreibt, gehört zu den besorgten Stammgästen. Er kommt gern zum Frühstücken („da stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis“) und Zeitunglesen („auch den KURIER“), aber auch der „Wortner-Burger“ schmeckt ihm. „Und das Platzerl mit dem Brunnen ist so schön!“

Für die Gestaltung des „Engelbrunnens“ ließ sich der Bildhauer Anton Paul Wagner von der Sage der klugen Elsbeth inspirieren, die zwei gefürchtete Räuber gefangen genommen hat. Als der Brunnen 1893 enthüllt wurde, war das Wortner schon da. Ferdinand Wortner hat das Lokal 1880 eröffnet, es ist damit älter als das Café Museum (seit 1899) oder das Prückel (seit 1903).

Mehr als 100 Jahre lang war das Café in Händen der Familie Wortner; der jetzige Betreiber, Oliver Janele, ist mit Unterbrechungen seit 2003 engagiert. „Das Café Wortner soll ein Ort der Begegnung und Entschleunigung sein, weit entfernt vom hektischen Alltag der Stadt“, sagt er. Das Grätzel nickt und drückt die Daumen.