Chronik/Wien

Hotel Sacher: Ein Sündenfall im Torten-Paradies

Das Sacher ist eine Institution. Keine Reisegruppe, die in Wien das legendäre Hotel samt der noch legendäreren Torte auslässt. Auch für Krimis war das Hotel Sacher schon  Schauplatz. Doch es braucht keine erfundenen Geschichten. Die Realität hat das Sacher eingeholt.   Eine lang gediente Buchhalterin hat über Jahre hinweg 4,1 Millionen Euro abgezweigt. Aufgefallen war das all die Jahre niemandem.  „Natürlich war das ein Schock für die gesamte Firma“, sagt Sacher-Geschäftsführer Matthias Winkler. Der Vorfall hat das Haus (der Jahresumsatz betrug 2019 88 Millionen Euro) erschüttert.

Seit Jahrzehnten war die Mitarbeiterin schon im  Haus. Sie galt als sehr verlässlich, sehr motiviert. Und schaffte es, über zehn Jahre Geld auf die Seite zu schaffen.  Einmal 1.000 Euro, das andere Mal 50.000 Euro. Insgesamt dürfte es sich um rund 350 Überweisungen gehandelt haben.

Eine simple Masche

„Natürlich haben wir uns gefragt, wie das passieren konnte“, sagt Winkler. Eine zufriedenstellende Antwort hat er nicht gefunden.  „Niemandem ist es aufgefallen. Weder Wirtschaftsprüfern noch Bank oder Geschäftsführern“, sagt er. Er nennt es ein „Multiorganversagen“. Dabei war die Masche der Frau nicht einmal besonders raffiniert. Sie ließ sich Überweisungen bewilligen und veränderte dann die Kontodaten des Empfängers.

„Ich habe mich selbst gewundert, dass das nicht auffällt“, gibt die 49-jährige Buchhalterin im Rahmen
des Strafprozesses am Dienstag zu.  

Erst im heurigen Jänner schlug die Bank Alarm. Geldwäsche-Verdacht stand im Raum.  Die Chefetage des Sacher wurde umgehend informiert. „Wir haben ein Problem“, war auch  Geschäftsführer Winkler rasch klar. Die Größenordnung war in diesem Moment allerdings noch nicht absehbar.

Schon erwartet

Nur Stunden später wurde die 49-jährige Buchhalterin zu einem „Gespräch“ geladen. „Es war Corona-Zeit. Sonst haben wir die Besprechungen immer online gemacht. Aber diesmal wurde ich persönlich eingeladen“, schildert die Mitarbeiterin.  Als sie das Sacher betrat, wurde sie bereits vom Geschäftsführer und dem Anwalt des Hauses erwartet.

„Sie wissen, warum Sie hier sind?“ wurde sie gefragt – und sie gestand sofort unter Tränen. „Es war eine dramatische und tragische Situation“, beschreibt Matthias Winkler. „Die Mitarbeiterin war in einem Ausnahmezustand. Wir haben sie dann auch noch in ihr Büro und nach Hause begleitet.“

 

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Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Die  Anwältin der Frau versucht am Dienstag, die Frage zu beantworten:  Sie sei übersozial. Und es sei ihr extrem wichtig, was andere von ihr halten.

Bei ihrem Gerichtstermin im Landesgericht für Strafsachen in Wien  versteckt sich die 49-jährige Buchhalterin   hinter einem Kopftuch, einer großen Sonnenbrille und Mundschutz. Sie schämt sich, will auf keinen Fall erkannt werden. Kamerateams und Fotografen erwarten sie.

Wenig später erzählt sie dem Richter tränenreich, was sie dazu getrieben hat: „Ich wollte alles für meinen Sohn tun.“ Schon im Teenageralter hätte der Sohn Probleme gemacht. „Ich wollte ihm zeigen, dass er eh alles haben kann“, sagt die Angeklagte. Egal ob es sich um die neuesten Sportschuhe oder Spielekonsolen handelte – für den Sohn war nichts zu teuer. Dazu kamen Urlaubsreisen und Geschenke.

Ein letztes Mal

Irgendwann sei ihr Sohn in schlechte Kreise geraten, von der Schule geflogen, ständig in Schlägereien verwickelt gewesen, habe schon als Minderjähriger Geld in Casinos verspielt und sei schließlich in der Drogenszene gelandet. „Er hat erst Massen an Geld verloren. Später standen Männer vor unserer Wohnung, die Geld eintreiben wollten.“

Immer wieder bat der Sohn um Geld. „Noch einmal zahlen, dann ist alles vorbei“, habe sie geglaubt. Doch vorbei war es nie. Allein für
eine Geburtstagsfeier wurden 18.000 Euro verprasst.

 „Heute weiß ich, dass ich keine gute Mutter war. Ich würde alles anders machen. Mir Hilfe holen.“ Die Frau will den Schaden wieder gutmachen. Rund 200.000 Euro hat sie bereits zurückzahlen können.  

Das berücksichtigen Richter und Schöffen auch beim  Urteil: Die Frau wird wegen Untreue zu drei Jahren Haft verurteilt. Ein Jahr davon unbedingt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Im Hause Sacher hat man sich nach dem Vorfall Unterstützung von externen Beratern geholt. „Wir haben ein völlig neues internes Kontrollsystem“, sagt Matthias Winkler.  Ein derartiger Fall soll sich nie wiederholen.

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Hotel Sacher: Ein Fundament aus Schoko und Schlagobers

Geschichte. Schokolade, Marillenmarmelade und Schlagobers bilden bis heute das Fundament des weltberühmten Hotel Sacher. Denn dessen Geschichte begann mit der noch weltberühmteren gleichnamigen Torte im Jahr 1832.

Der 16-jährige Bäckerlehrling Franz Sacher wird von Prinz von Metternich beauftragt, für seine Gäste eine Nachspeise zu kreieren – mit bahnbrechendem Erfolg: 1876 eröffnet Eduard Sacher, der Sohn des Patissiers, das Hotel Sacher als exklusives Luxushotel.  
 

Mit Zigarre im Mund

Seine Frau, die Fleischertochter Anna Maria Fuchs, macht es zum Treffpunkt der High Society.  Unterschriften ihrer prominenten Gäste stickt sie eigenhändig in ein Tischtuch – so etwa auch jene von Kaiser Franz Joseph.

Als Eduard Sacher 1892 stirbt, übernimmt die „Grande Dame“ des Hotels  den Betrieb. Als Markenzeichen hatte sie angeblich immer eine Zigarre im Mund. Bei ihrer Beerdigung zollen ihr Zehntausende Wiener Respekt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg  fällt das Sacher zunächst in die Hände der Russen, dann der Briten, wird aber schließlich wieder
den ursprünglichen Eigentümern übergeben. Der Betrieb erholt sich schnell. In den 50er-Jahren wird das Hotel mit Innenhöfen und Banketträumen erweitert. In den folgenden Jahren wird der Betrieb laufend ausgebaut: Im Jahr 1988 wird das   Hotel „Österreichischer Hof“ in Salzburg eröffnet. Es folgen zwei Café Sacher – in Innsbruck gibt es eines seit 1999, in  Graz seit 2003.

In Wien kommt es  auch zu Änderungen. Das „Sacher Eck“, eine  Weinbar, wird 2003 im Hotel integriert, seit 2005 gibt es auch ein Sacher Boutique Spa.

Das (streng geheime) Original-Rezept zieht übrigens bis heute. Pro Jahr werden rund 360.000 hausgemachte Torten in die ganze Welt verschifft.

Agnes Preusser