Chronik/Wien

Die neue Härte im Wiener Drogengeschäft

 U-Bahn-Station und trotz Zeugen gingen im April mehrere Männer auf einen 31-Jährigen los. Die Gruppe schlug mit einer Machete auf den Algerier ein; der Mann verblutete. Relativ bald war aus Polizeikreisen zu vernehmen, dass es sich um einen Streit in der nordafrikanischen Suchtgiftszene handeln könnte.

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Auf tragische  Weise verdeutlichte der Fall einer breiten Öffentlichkeit, wie brutal es im Wiener Drogengeschäft zugeht. Für Ermittler war die Attacke schockierend, aber nicht überraschend. Sie beobachten schon länger eine Veränderung im Drogenhandel.  Konkret seit 2015: „Im Zuge der Flüchtlingskrise kamen zahlreiche Nordafrikaner nach Österreich, die hier in den Drogenhandel einstiegen. Sie haben sich vernetzt. Mittlerweile treten sie nicht nur sehr professionell, sondern auch äußerst brutal auf“,  erklärte Chefinspektor Martin Bencza am Mittwoch im Rahmen eines Hintergrundgesprächs.

Eigenes Ermittlungsteam

Die Polizei reagierte und  gründete bereits 2016 die Arbeitsgruppe (AG) „Maghreb“, die sich auf Täter aus  Algerien, Marokko sowie Tunesien konzentriert. Dieser Schritt dürfte richtig gewesen sein, denn speziell die Algerier gehören im Wiener Rauschgifthandel mittlerweile zu jenen Nationalitäten, die den Ton angeben. Dazu arbeiten sie eng mit mindesten ebenso gut organisierten und skrupellosen Balkan-Banden zusammen. 

Laut Polizei haben sich die Nordafrikaner hochgearbeitet. „Früher waren sie als Straßendealer tätig, heute haben sie dafür Afghanen, Syrer oder Iraker“, beschreibt Gruppenleiter Gernot Kaes die Rangordnung. Nigerianer hingegen seien größtenteils verdrängt worden.

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„Drogen werden zu Hunderten Kilogramm aus Nordafrika, Italien oder Spanien nach Österreich gebracht. Entweder mit dem Auto oder per Zug“, präzisiert der erfahrene Kriminalist. Das zeigt sich in den Aufgriffen: Die aus neun Beamten bestehende AG „Maghreb“  hat seit ihrer Gründung rund 450 Kilo Cannabis, 50 Kilo Heroin und 4,5 Kilo Kokain sichergestellt. Dazu kommen mehr als 1.000 Festnahmen.   

Besonders Letztere sind eine heikle Angelegenheit: „Als Polizei sind wir der Feind Nummer eins. Die Tätergruppen sind fast immer bewaffnet. Ohne Cobra- oder WEGA-Unterstützung führen wir keine Hausdurchsuchungen mehr durch“, sagt Kaes. 

Eine Kriminalbeamtin, die aus ermittlungstaktischen Gründen anonym bleiben möchte, ergänzt, dass sich die Gewalt nicht nur gegen die Polizei richtet. „Mehrere Gewalttaten innerhalb der Community in den vergangenen Monaten gehen auf diese Gruppierungen zurück.“

Hieb-, Stich- und  Schusswaffen gehören ihr zufolge zur Grundausstattung. Teils würden die Angriffe gefilmt, um andere mit den Videos einzuschüchtern. Auch der brutale Machetenangriff könnte diesem Zweck gedient haben. Die Verdächtigen in dem Fall sind  noch auf der Flucht. Sie sollen sich nach Frankreich oder Nordafrika abgesetzt haben.