Chronik/Wien

Atelier 10: Eine Galerie voller "Außenseiter-Kunst" wird zehn

Manche Bilder sind bunt, manche düster. Chaos findet sich an den Wänden im Atelier 10 in der ehemaligen Brotfabrik in Favoriten (10., Absberggasse 27), aber auch Geradlinigkeit, Ordnung und exakte Details. Eben Kunst.

Und damit ist Florian Reese genau das gelungen, was schon vor zehn Jahren sein Wunsch war und er daraufhin in die Tat umsetzte. Eine Galerie für Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen und intellektuellen Beeinträchtigungen, bei der es aber um Kunst geht - und nicht um ihren Hintergrund.

„Wir wollen weg von Verniedlichung oder der Einstellung ‚net schlecht für Behinderte‘“, sagt Reese, Leiter des Ateliers 10. Ausgestellt sei echte zeitgenössische Kunst, die den Werken in großen Häusern in nichts nachstehe.

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In den vergangenen Jahren wurden 200 Künstlerinnen und Künstler betreut und rund 15.000 Besucher kamen zu mehr als 20 Ausstellungen in die Galerie. Unter dem Titel „now we are ten“ wurde nun der erste Bildband herausgebracht.

Kein Sozialprojekt

Trägerin des Projekts ist die Caritas. „Ein wesentlicher Punkt ist, dass Menschen mit Beeinträchtigungen zuzutrauen ist, hochwertige Kunst zu schaffen. Das sind keine kuriosen Einzelfälle“, sagt Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas Wien.

Die Mitarbeiter des Ateliers haben alle einen kulturellen Hintergrund, es gehe schließlich nicht um Pädagogik. „Wir sind kein Sozialprojekt, sondern eine Kunstplattform“, so Reese. Bei der Auswahl der Künstler werde darum auch großer Wert auf Talent und Können gelegt.

Dass das gelungen ist, zeigt auch die Meinung von Größen der Kunstbranche. „Wenn jemand eine Ausstellung zu Organen oder Körpern plant, muss er die Werke von Ivana Kralj berücksichtigen“, sagt etwa Günther Oberhollenzer, Kurator der Landesgalerie Niederösterreich.

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Kraljs Bilder sind gleich im ersten Raum, der 1.000 Quadratmeter großen Galerie, ausgestellt. „Der Körper steht bei mir im Vordergrund, auch Insektenkörper“, sagt sie. Sie fände das spannend, weil in einem Organismus alles gespeichert ist - inklusive Gedanken und Erfahrungen.

Sie selbst hatte eine schwierige Zeit - ins Detail will sie nicht gehen - und danach Probleme, ihre „Kunst wieder nach außen zu tragen“. Im Atelier 10 wurde ihr geholfen. „Die Galerie ist einfach unglaublich, menschlich und auch künstlerisch“, so Kralj.

Hürden wegschaffen

Genau das bietet das Atelier seit zehn Jahren: Unterstützung und auch das Wegräumen von strukturellen Problemen oder Hürden, mit denen „Außenseiter-Künstler“ zu kämpfen haben.

„Ich finde ohnehin, dass Kuratoren mit den Augen kuratieren sollten und nicht anhand einer Biografie“, sagt Angelika Stief, Direktorin der Albertina modern und – wie auch Oberhollenzer – im Kunstbeirat des Atelier 10. Einmal im Jahr wird die Arbeit der Galerie vom Kunstbeirat kritisch reflektiert.

Gleich neben dem Eingang sieht man die Bilder von Brigitte Nehiba. Bei den Feierlichkeiten zum 10-Jahres-Jubiläum legt sie ihren Kuscheltier-Affen nie aus der Hand, zwischendurch küsst sie ihn liebevoll auf den Kopf.

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Eines von Nehibas Bilder wird schon bald einen neuen Platz finden. Es wandert als Leihgabe in das Büro von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne).

Noch ist es aber im Atelier 10 zu sehen. Und wer selbst Gefallen an den Bildern findet, kann diese auch käuflich erwerben. Wie eben auch in jeder anderen Galerie.