Angst vor Staublunge statt grüner Lunge im Norden Wiens
Von Bernhard Ichner
Der Regionalpark DreiAnger (die Schreibweise ist Absicht) sei ein „vielfältiger Erholungsraum im Norden von Wien, in dem hochwertige Lebensmittel angebaut werden, Wander- und Radwege zum Sport einladen und kühlende Teiche auf versteckte Wäldchen treffen“, heißt es in einer Broschüre der Stadt.
Ab Ende April wollte man die 3.000 Hektar große Fläche, die sich von Floridsdorf über die Stadtgemeinde Gerasdorf (NÖ) bis in die Donaustadt erstreckt, der Öffentlichkeit präsentieren. Doch bereits vor dem Start scheint das Idyll in Gefahr.
Denn auf niederösterreichischer Seite könnte mitten im Naturjuwel ein Schotterwerk errichtet werden. Für die Bezirkschefs Georg Papai (21.) und Ernst Nevrivy (22.) sowie den Bürgermeister von Gerasdorf, Alexander Vojta, (alle SPÖ) „ein Schildbürgerstreich“.
Drei Jahre arbeiteten die Länder Wien und NÖ, die Stadt Gerasdorf und die Bezirke im Rahmen eines EU-Projekts am Konzept für den Regionalpark DreiAnger. 200.000 Euro wurden bis dato investiert. Durch Pfade und Rastplätze will man die „grüne Lunge“ für rund 400.000 Menschen naturnah erschließen.
Geräteschuppen nein, Schotterwerk ja
Dass die Gerasdorfer Firma Kovanda 9,07 Hektar im Regionalpark aufkaufte und nun zumindest auf 4,9 Hektar Schotter abbauen will, passt da nicht ins Bild. Hier würden über Jahrzehnte Lärm und Dreck produziert, meinen Papai, Nevrivy und Vojta. Die grüne Lunge drohe quasi zur Staublunge zu verkommen.
Dass Schotterabbau hier überhaupt in Betracht gezogen wird, sei geradezu skurril. Sehe die Flächenwidmung doch Äcker und eine Freihaltefläche vor. „Das bedeutet, dass nicht einmal ein Geräteschuppen errichtet werden darf“, sagt Vojta.
Allerdings sind 89 Hektar des Regionalparks gemäß Mineralrohstoffgesetz (Minrog) für den Schotterabbau geeignet. Darum könnte die umstrittene Anlage sehr wohl bewilligt werden.
Appell ans Land NÖ
Papai, Nevrivy und Vojta appellieren daher an den nö. Landesvize Stephan Pernkopf (ÖVP), „diesen Eingriff in die Natur“ doch noch zu verhindern. Doch beim Land NÖ winkt man auf KURIER-Anfrage ab: Der Bund definiere die Eignungszonen für den Schotterabbau, das Land könne sich darüber nicht hinwegsetzen.
Vojta bezweifelt das. Sollte die zuständige BH Korneuburg das Schotterwerk genehmigen, werde Gerasdorf alle Rechtsmittel dagegen ausschöpfen, kündigt er an. Und auch zivilen Protest gegen das Bauvorhaben will er nicht ausschließen.
Kein Verständnis für den Widerstand hat jedenfalls Firmenchef Leopold Kovanda. Zum einen, weil man viel investiere, um die Umweltauflagen einzuhalten und ganz bewusst 680 Meter neben dem hauseigenen Betonmischwerk abbauen wolle, um beim Abtransport möglichst viel CO2 einzusparen. Und zum anderen, weil das Schotterwerk nötig wäre, um künftige Lieferengpässe zu verhindern. Allein Gerasdorf brauche für Infrastrukturprojekte 160.000 Tonnen Sand, Kies und Beton – und weiterer Bedarf sei absehbar.
Für Vojta kein Argument. Kovanda könne den Schotter auch anderswo besorgen.