Alle Wege führen in den Prater: Zwei tragen einen neuen Namen
Von Nina Oezelt
"Für solche Momente lohnt es sich zu leben", sagt die 94-jährige Lieselotte Lang. Am Montag wurden im Prater gleich zwei Wege mit den Namen ihrer Urgroßväter getauft. Zur Feier des Tages kam auch Bürgermeister Michael Ludwig vorbei. Lieselotte Lang ist eine geborene Schaaf. Sie ist die Urenkelin von August Schaaf und Nikolai Kobelkoff. Sie selbst arbeitete im Alter von 8 bis 88 im Prater - unter anderem bei der bekannten Attraktion "Die Wiener Rutsche".
Ihre Urgroßväter haben im Jahr 1866 die ersten Attraktionen im Wiener Prater eröffnet.
Die neu benannten Wege befinden sich direkt im Prater: Der Schaafweg führt vom Tiefweg direkt bis zur Attraktion Sombrero. Der andere Weg, Kobelkoffweg, führt an den Betrieben, die Kobelkoff damals führte, vorbei: Die Manege Parisienne und der Toboggan. Der Weg läuft parallel zur Zufahrtsstraße. Heute befindet sich dort die Achterbahn Boomerang und das Fahrgeschäft Space Shot.
Kaum eine Attraktion der Stadt ist bekannter: Der Wiener Prater ist eine Institution. Das betonte auch Bürgermeister Ludwig vor Ort. Der Prater als magischer Ort hat sich als Inspirationsquelle, auch für Kunst und Kultur, in die Stadtgeschichte eingeschrieben. "Die Familien Schaaf und Kobelkoff waren als Praterdynastien innovativ, technisch am neuesten Stand und haben mit ihren Errungenschaften neue Perspektiven ermöglicht“, unterstrich Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler und dankte Silvia Lang, der Ururenkeltochter von Nikolai Kobelkoff und August Schaaf für ihre Initiative.
Viele Wege im Prater sind auch heute noch ohne Namen. Bis 2024 soll außerdem ein Pratermuseum - nahe des Riesenrades - entstehen. In diesem Museum soll von den Persönlichkeiten und den Legenden aus dem Prater erzählt werden. Auch der Pratermuseumsplatz wird in zwei Jahren dort entstehen.
Wer war die Familie Schaaf
Als Stammvater der Familie Schaaf gilt August Schaaf. Er wurde 1821 in Leipzig-Reudnitz geboren. Er verließ die Familiengärtnerei, um als Schausteller in die Fremde zu ziehen. Aus einem Kasperltheater wurde bald eine Menagerie mit seltenen Tieren, seine Tourneen führten ihn samt Familie nach Wien, wo sie 1866 im Wiener Prater ein Panoptikum (in dem auch Nikolai Kobelkoff auftrat) erwarben und sich hier niederließen. 1885 starb August Schaaf im Prater.
Sein Sohn Carl Schaaf, geboren 1859, startete seine Schaustellerkarriere mit Schießstätte, Ballwurf und Kraftmesser. Mit ihnen ging er auf Reisen, die ihn bis nach Buenos Aires führten. Zurück im Prater 1886 wandte sich Carl der Zurschaustellung von ungewöhnlichen Menschen zu. Sukzessive erweiterte er den Betrieb, führte viele technische Erneuerungen ein, und erreichte, dass ab 1906 der Prater auch im Winter geöffnet hatte. 1911 wurde das Aeroplankarussell erbaut, für das sein einziger Sohn Karl Schaaf zuständig war. Hermann Leopoldi schrieb 1932 für dieses Ringelspiel den Erfolgsschlager „Schön ist so ein Ringelspiel“.
Ingenieur Karl Schaaf (geb. 1888) entwickelte die Betriebe seiner Eltern technisch weiter und führte zahlreiche neue Attraktionen, wie das Freudenrad („Lustige Bank“), Pferderingelspiel und Kinderschaukelkarussell ein. 1935 wurde die „Todesmauer“ aufgestellt, eine Motorradfahrt an der senkrechten Wand. Karl Schaaf wurde während des Zweiten Weltkrieges sehr schwer krank und verstarb 1946 im Prater.
Wer war Nikolai Kobelkoff
Nikolai Kobelkoff kam 1851 in Wosnessensk, Russland, ohne Gliedmaßen zur Welt. Er lernte rasch, auf seinen Beinstümpfen zu laufen und den rechten Armstumpf zu gebrauchen. Mit 18 Jahren war er Beamter in den Goldminen von Balbuck. Auf einem Jahrmarkt wurde er 1870 von Theaterdirektor Berg für seine Schaubühne in St. Petersburg entdeckt. Eine Tournee führte ihn 1875 nach Wien, wo er nicht nur im Panoptikum von Auguste und August Schaaf auftrat, sondern sich auch in Auguste Schaafs 18-jährige Schwester Anna verliebte. 1876 heiratete er, nach Eintritt in die evangelische Kirche, in die berühmte Schaustellerfamilie ein, sechs Kinder wurden auf den Tourneen quer durch Europa geboren.
1901 kaufte Nikolai Kobelkoff den Fahrradbetrieb auf dem Rondeau und machte daraus das bekannte Velodrom. Damit war der Grundstein der Familie Kobelkoff im Prater gelegt. Zahlreiche weitere Vergnügungsbetriebe, wie die „Manège Parisienne“ und der erste „Toboggan“, wurden eröffnet, Tourneen führten die Familie bis nach Amerika. 1933 verstarb der mittlerweile weltbekannt gewordene Künstler im Wiener Prater.