Chronik/Wien

AKH als politische Dauer-Baustelle

Österreichs größtes Spital, das Wiener AKH, kommt nicht aus den Schlagzeilen. Jedes Jahr ein oder mehrere Prüfberichte mit mehr oder minder vernichtenden Zeugnissen, politische Debatten im Wiener Gemeinderat und jetzt auch wegen ihrer Arbeitssituation Ärzte im Protest bringen Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) in Bedrängnis.

Die schlechten Nachrichten aus Österreichs größtem Spital reißen gerade dieser Tage nicht ab: Der aktuelle Bericht des Rechnungshofs zeigt gleich bei mehreren Bauprojekten exorbitante Kostensteigerungen auf (der KURIER berichtete). So explodierten die Kosten für die Errichtung einer Fernkälte-Erzeugung um 298 Prozent auf eine Summe von 2,82 Millionen. Heute, Freitag, droht Wehsely das nächste Ungemach: Der Stadtrechnungshof wird einen Bericht zum AKH präsentierten. Und kommenden Dienstag steigen einmal mehr die AKH-Ärzte auf die Barrikaden. Sie lassen sich die Einsparung von Diensträdern nicht gefallen (siehe Bericht unten).

Skandal-Serie

Die aktuellen Turbulenzen reihen sich nahtlos in eine Serie von Skandalen ein, die das AKH seit Jahren erschüttern. So stellte bereits im vergangenen Frühjahr der RH fest, dass die medizinische Betreuung im 2000-Betten-Spital 30 bis 60 Prozent teurer ist als in den Unikliniken in Graz und Innsbruck. Auch die Infrastruktur-Kosten sind im AKH rund doppelt so hoch wie in vergleichbaren Spitälern.

Ein anderer Fall beschäftigt nach wie vor die Korruptionsstaatsanwaltschaft. Sie prüft, ob bei der Vergabe eines Reinigungsauftrags über insgesamt 50 Millionen Euro alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Demnächst soll entschieden werden, ob Anklage erhoben wird.

Probleme bereitet auch die Umsetzung des EDV-Systems AKIM. Die Vorarbeiten reichen in die 90er-Jahre zurück. Das Projekt ist immer noch nicht abgeschlossen, auch hier laufen die Kosten völlig aus dem Ruder.

Misstrauensantrag

Für die FPÖ ist Wiens Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) jedenfalls rücktrittsreif. Die Blauen werden einen Misstrauensantrag gegen die Ressortchefin einbringen und eine Sondersitzung des Gemeinderats einberufen. Weiters fordern sie eine „Soko Krankenanstalten“.

Für ÖVP-Gemeinderätin Ingrid Korosec ist klar, was hinter dieser Misswirtschaft steckt: „In jedem Unternehmen gibt es klare Vorgaben und ein Controlling. Im AKH fehlt das.“ Wehsely und ihre Vorgänger hätten es verabsäumt, hier durchzugreifen.

Die Misere ist für den Gesundheitsökonomen Ernest Pichlbauer vor allem an der fehlenden zentralen Führung festzumachen. Der Betrieb im AKH sei gleich drei Dienstherren unterstellt: Der AKH-Direktion, der Stadt und dem Rektorat der MedUni, für die der Bund zuständig ist. „An den Schnittstellen dieser drei Stellen entstehen viele Freiräume, die die Akteure für ihre Eigeninteressen okkupieren.“ Jede Investition ins AKH teilen sich Bund und Land Wien. In dem Gezerre darüber, wer wie viel bezahlt, sei Transparenz, Kontrolle und eine sachliche Prüfung des Investitionsbedarfs unerwünscht.

Im Büro Wehsely wird man nicht müde zu betonen, mit der 2011 eingeleiteten AKH-Reform auf dem richtigen Weg zu sein. Pichlbauer bleibt skeptisch: „Erst mit einer gemeinsamen Betriebsführung ließe sich das Wirrwarr entflechten.“

Wegen Einsparungen machen jetzt die Ärzte im AKH mobil. Am Dienstag wird vor dem Spital gegen den Rektor der MedUni Wolfgang Schütz demonstriert. Dieser hatte ohne Vorankündigung die Journal-Nachtdienste der Ärzte gekürzt. Elf Diensträder wurden bereits gestrichen. „Das ist ein Raubzug des Rektors, der das AKH auf ein Minimum zurückfahren will“, sagt Thomas Perkmann, Betriebsratsobmann des wissenschaftlichen Personals. Er wirft Rektor Schütz vor, nur ein sehr begrenztes Interesse an der Patientenversorgung zu haben. „Wir haben aber den Auftrag, die Patienten im AKH zu versorgen. Wenn dann so viele Ärzte fehlen, ist das nicht zu machen.“ Am Montag ist ein letztes Treffen zwischen Betriebsrat und Rektor geplant. Dennoch werde die Veranstaltung am Dienstag stattfinden, sagt Perkmann. Er erwartet 500 bis 800 Ärzte. „Natürlich können wir nicht alles stehen lassen, die Versorgung der Patienten wird darunter nicht leiden“, verspricht Perkmann.