Chronik/Wien

20 Jahre Haft und Einweisung für Eisenstangen-Attacken auf Frauen

Der Prozess um jenen 42-jährigen Mann, der Ende Dezember 2018 zwei Frauen mit Eisenstange bzw. Maurerhammer attackiert hat, endete am Dienstag mit einem rechtskräftigen Schuldspruch. Für den zweifachen Mordversuch erhielt der Angeklagte eine 20-jährige Haftstrafe, außerdem wird er in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingeliefert. Das Urteil ist rechtskräftig.

Der Prozesstag am Wiener Straflandesgericht

Dass die 25-jährige Anja (Name geändert, Anm.) Dienstagmittag in den Gerichtssaal kommen kann, grenzt an ein Wunder. Kurz vor Silvester war sie von einem Unbekannten auf offener Straße in Wien mit einem Eisenrohr überfallen worden. Der Mann versetzte ihr einen wuchtigen Schlag auf den Hinterkopf. Dann drosch er mit der Stange auf ihr Gesicht ein.

Anja hat überlebt. "Ein Wunder", nennt das Gerichtsmediziner Christian Reiter. "Es gab keinen Gesichtsknochen, der nicht zertrümmert war. Ihr Gesicht wurde flach geklopft." 24 Metallimplantate hat die junge Frau im Gesicht. Als sie ins Krankenhaus kam, hatte sie nur noch eine Körpertemperatur von 31 Grad. Sie kann seither weder riechen noch schmecken. Ein Bein ist stark in Mitleidenschaft gezogen. Etliche Operationen werden noch nötig sein. Die junge Frau von damals gibt es nicht mehr.

Als sie den Saal betritt, ist es komplett still. Als Anja erzählt, dass sie "wieder im Leben stehen möchte", brechen einige Zuhörer in Tränen aus. Anja will wieder arbeiten, ihren eigenen Haushalt führen. Seit dem Vorfall interessiert sie sich auch für Medizin und Psychologie. "Ein Studium würde mich interessieren. Aber ich weiß nicht, ob das geht." Denn seither leidet sie an Panikattacken, kann oft nicht schlafen. "Wenn ich alleine auf der Straße unterwegs bin, fühle ich mich unwohl." Spaziergänge im Dunkeln sind unmöglich geworden. "Irgendwann muss ich mich dem stellen", weiß sie.

Die junge Frau hat ihren Lebenswillen nicht verloren. "Diese Frau ist bewundernswert", sagt auch Gerichtsmediziner Reiter. Und selbst der Richter spricht ihr seine Anerkennung aus.

Motiv: Sexuell unzufrieden

Unter regem Publikumsinteresse ist am Wiener Straflandesgericht am Dienstag ein Prozess gegen einen Mann gestartet, der Ende Dezember 2018 zwei Frauen mit Eisenstange bzw. Maurerhammer attackiert haben soll. Dem 42-jährigen droht wegen zweifachen Mordversuchs lebenslange Haft und zudem die Unterbringung im Maßnahmenvollzug.

Der Mann soll aus sexueller Unzufriedenheit ab Anfang Dezember bei U-Bahn-Stationen Frauen im Alter von 25 bis 40 Jahren abgepasst und ihnen nachgefahren sein. Er wollte sie ansprechen und fragen, ob sie mit ihm Sex haben wollen. Weil er sich aber stundenlang nicht traute, wurde er laut Staatsanwaltschaft immer frustrierter und attackierte schließlich am 30. und 31. Dezember zwei Wienerinnen. Angeklagt ist er auch wegen zweifachen schweren Raubes.

"An Brutalität nicht zu übertreffen"

"Das ist an Brutalität kaum zu übertreffen", sagte die Staatsanwältin in ihrem Eröffnungsplädoyer und präsentierte zwei A3-große Lichtbilder von einem Opfer, das Gesicht der Frau war nach der Attacke auch ansatzweise nicht mehr zu erkennen. Die Taten "machen fassungslos". Auf die Frage nach dem Warum, meinte die Anklägerin: "Die Frauen waren schlicht zur falschen Zeit am falschen Ort." Opfer und der Täter hätten sich nicht gekannt, die Frauen "hatten keine Chance".
 

Zu den Vorwürfen bekannte sich der vierfache Familienvater vor dem Schwurgericht (Vorsitz: Ulrich Nachtlberger) schuldig. Der Angeklagte sei zuvor nie als gewalttätig in Erscheinung getreten, sagte seine Verteidigerin Astrid Wagner. "Umso überraschender und entsetzlicher ist das, was hier geschehen ist." Es gebe nicht zu beschönigen, aber: "Er ist ein Mensch und keine Bestie, er ist krank. Es besteht bei ihm eine schwere Persönlichkeitsstörung", so Wagner.

Am 30. Dezember postierte sich der 42-Jährige nach Mitternacht mit seinem Fahrrad in der Nähe der U-Bahn-Station Margaretengürtel, um Frauen abzupassen, die alleine unterwegs waren. Mehrmals fuhr er Frauen nach, war aber dann doch zu feig, um sie anzusprechen. Nach fünf Stunden war er derart frustriert, dass er mit einer 1,58 Kilogramm schweren Eisenstange, die er bei einer Baustelle gefunden hatte, einer 25-Jährigen folgte, die nach 5.00 Uhr von einem Lokalbesuch nach Hause unterwegs war.

Die Frau bemerkte nicht, dass sie verfolgt wurde. Kurz vor ihrer Wohnung in der Margaretenstraße drosch ihr der Täter die Stange mit voller Wucht von hinten auf den Kopf. Die 25-Jährige stürzte zu Boden und kam in Rückenlage zu liegen. Als sie sich aufzurichten versuchte, schlug ihr der Mann laut Anklage die Waffe noch zwei bis drei Mal ins Gesicht. Sie verlor das Bewusstsein.
 

Laut Staatsanwaltschaft nahm ihr der Täter ihre Brieftasche aus der Jackentasche, fuhr mit dem Rad zu einer nahen Postfiliale und versuchte Geld zu beheben. Als das nicht gelang, kehrte er an den Tatort zurück, um sich am wehrlosen Opfer zu vergehen. Als er jedoch sah, wie die Frau zugerichtet worden war, ließ er von seinem Vorhaben ab und wählte den Notruf, wobei er behauptete, er habe die Verletzte zufällig am Gehsteig gefunden.

Die 25-Jährige verbrachte in einem Spital mehr als drei Wochen im künstlichen Tiefschlaf, ehe ihr Überleben gesichert war. Ihre Schädel- und Kopfverletzungen waren laut einer gerichtsmedizinischen Expertise "unmittelbar lebensbedrohend". Wäre nicht rasche ärztliche Hilfe erfolgt, wäre die 25-Jährige nach Dafürhalten des Gerichtsmediziners Christian Reiter gestorben.

"Deppert angeschaut"

Der zweite inkriminierte Überfall ereignete sich am 31. Dezember im Resselpark. Die Betroffene - eine damals 36 Jahre alte Frau - habe ihn "deppert angeschaut", erzählte der 42-Jährige nach seiner Festnahme bei seiner polizeilichen Einvernahme. Das habe ihn geärgert, daher habe er beschlossen, "dass ich ihr eine drüber klopfe mit dem Hammer". Weshalb er einen 800 Gramm schweren Maurerhammer eingesteckt hatte, konnte er nicht sagen.

Die 36-Jährige erlitt einen Eindrückungsbruch des Schädels verbunden mit einem Bruchspalt absteigend in die Schädelbasis und Hirnblutungen. Dennoch gelang ihr die Flucht, wobei sie jedoch mehrfach stürzte, was der 42-Jährige eigenen Angaben zufolge mit Genuss beobachtete. "Es hat mir getaugt, dass die Frau ein paar Mal auf die Fresse gefallen ist. Das habe ich lustig gefunden. Sonst habe ich keine Gefühle dabei empfunden", gab er dazu an.

Für den beigezogenen Gerichtspsychiater Peter Hofmann steht fest, dass der Angeklagte im Tatzeitpunkt zwar zurechnungsfähig war, aber hochgefährlich ist. Ausschlaggebend dafür ist dem psychiatrischen Gutachten zufolge eine Persönlichkeitsstörung, die auf hirnorganische Defekte zurückzuführen ist. Im Hinblick auf die geistig-seelische Abartigkeit des Mannes hat die Anklagebehörde auf Basis von Hofmanns Feststellungen zusätzlich zur Verurteilung die Einweisung des 42-Jährigen in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt.