Chronik/Wien

100.000 Euro weg: „Dachte, mir passiert so etwas nicht“

Christa Chorherr sitzt Dienstagvormittag vor Verhandlungssaal 304. Sie wird wieder einmal erzählen, was ihr passiert ist – nur diesmal nicht für Aufklärungsvideos der Polizei oder für Medien. Diesmal schildert sie ihre Geschichte vor einem Gericht.

Die 86-jährige Pensionistin Chorherr wurde, wie viele andere, Opfer der „falschen Polizisten“. „Ich war schon ein Trottel“, sagt sie. „Wenn ich im Nachhinein darüber nachdenke, waren da so viele Warnsignale. Ich war ja auch misstrauisch . . . aber trotzdem.“ Und außerdem war sie bis vor einigen Monaten überzeugt: „Mir passiert so etwas nicht.“

Gesamter Schmuck

Es ist ihr passiert. Sie hat ihre Ersparnisse, konkret Schmuck im Wert von 100.000 Euro, einer Betrügerbande übergeben. Zumindest der Täter, der die Wertsachen abholte, konnte ausgeforscht werden – ihm wurde am Dienstag im Landesgericht für Strafsachen in Wien der Prozess gemacht. Der 22-jährige Türke (Verteidiger Philipp Winkler) wurde zu zwei Jahren unbedingter Haft verurteilt; rechtskräftig.

„Ich hab das nur wegen meiner Schulden im Online-Casino gemacht“, erklärt der unbescholtene Osman T. kleinlaut. Richterin Claudia Zöllner lässt ihn nicht so einfach davonkommen: „Man macht älteren Menschen Angst, täuscht sie und lockt ihnen ihr lebenslang Erspartes heraus. Wie kann es sein, dass Sie bei so etwas Niederträchtigem mitmachen? Sie hatten nur 8.000 Euro Schulden, Sie sind jung.“

Angeklagter: „Ich habe nur das schnelle Geld gesehen.“

Richterin: „Was, wenn man das Ihren Großeltern angetan hätte?“

Angeklagter: „Dann wäre ich sprachlos.“

Richterin: „So sprachlos dürften Sie nicht gewesen sein, Sie haben es mehrmals gemacht.“

Tatsächlich holte Osman T. auch bei einem weiteren Pensionisten Golddukaten im Wert von 76.000 Euro ab. Dieses Opfer wollte sogar noch einen Kredit aufnehmen und das Geld den falschen Polizisten geben – wozu es allerdings nicht kam.

Anweisungen am Telefon

Der Angeklagte habe die Anweisungen von einem Mann namens Murat bekommen, den er in der Türkei kennengelernt hatte. „Er hat mich und meinen Neffen bei einem Urlaub angesprochen und mir erzählt, wie leicht man damit Geld verdienen kann“, schildert er.

Ausgewählt wurden die Opfer nach ihren Namen im Telefonbuch. Der Haupttäter überzeugte die Pensionisten am Telefon davon, dass ihr Name bei einer aktiven Einbrecherbande in der Umgebung gefunden wurde und ein Einbruch unmittelbar bevorstehen würde. Die Polizei müsse daher Geld und Wertsachen in Sicherheit bringen. Wenig später stand T. vor der Tür. Und der wiederum übergab die Beute an einer Bushaltestelle in Wien-Donaustadt.

Die Täter haben dadurch bereits einen Millionenschaden angerichtet. Verurteilt wurden bisher nur die „kleinen Fische“ – wie auch dieses Mal: Nachdem das Foto von Osman T. in Zeitungen veröffentlicht wurde, stellte er sich der Polizei.