Chronik/Welt

Venezuela-Krise: Die mächtige Rolle der USA in Lateinamerika

Eine handschriftliche Notiz, gut lesbar und den Fotografen direkt vor die Linse gehalten: John Bolton hatte eine Botschaft, und er sorgte dafür, dass die die Weltöffentlichkeit erreichte, ohne dass er darüber offiziell ein Wort verlieren musste: „5000 Soldaten nach Kolumbien“. Auf Nachfrage zog sich Trumps Nationaler Sicherheitsberater auf eine bewährte Standardfloskel zurück: „Alle Optionen sind auf dem Tisch“.

Eine unausgesprochene, aber dafür umso deutlichere Drohung. In den exakt gleichen Worten hatte etwa George W. Bush einst dem Iran mit einer Militärintervention gedroht, ebenso Barack Obama.

Die USA haben sich im eskalierenden Bürgerkrieg in Venezuela klar auf die Seite der Opposition und ihres neuen Anführers Juan Guaido gestellt. Sie stellen Hilfsgelder für die Bevölkerung zur Verfügung, die sie Guaido anvertrauen, und sie versuchen die sozialistische Regierung von Nicolas Maduro endgültig von ihrer wichtigsten Geldquelle abzuschneiden, den Öl-Einnahmen. Die vom Staat kontrollierte Ölgesellschaft PDSVA wird unter Sanktionen gestellt.

Die Monroe-Doktrin

Dass Bolton jetzt Kolumbien ins Spiel bringt, entspricht der seit Jahrzehnten geltenden politischen und militärischen Logik Washingtons. Lateinamerika gilt traditionell als der „Hinterhof der USA“. US-Präsident James Monroe meldete bereits 1823 den Anspruch der USA auf die Vorherrschaft auf dem amerikanischen Kontinent an – damals noch in offener Konkurrenz zu den europäischen Kolonialmächten. Seither nimmt sich Washington mehr oder weniger offen das Recht, über die politische Zukunft Lateinamerikas mitzuentscheiden. Vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts intervenierte Washington mit militärischen Mitteln in zahlreichen lateinamerikanischen Ländern, von Guatemala über Kuba bis Nicaragua. In der OAS, der Organisation amerikanischer Staaten, die obendrein in Washington sitzt, haben die USA klar das Sagen.

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Es ist kein Zufall, dass die US-Botschaft in Kolumbiens Hauptstadt Bogota bis vor wenigen Jahren die weltweit größte war. Kolumbien ist seit Jahrzehnten der wichtigste Anker für die Politik der USA in Lateinamerika. Die Regierungen des Landes sind fast ausnahmslos enge US-Verbündete, agieren auf Zuruf aus Washington und machen sich auch militärisch zu deren Handlanger.

US-Waffenhilfe

Die kolumbianische Armee, großzügig von den USA mit Waffen ausgestattet und von US-Experten ausgebildet, setzte schon in den 1920ern die Interessen von US-Firmen in Kolumbien mit Gewalt durch.

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Ein Höhepunkt dieser militärischen Einflussnahme war der sogenannte „Krieg gegen Drogen“ ab den 1980er-Jahren. Die US-Drogenbehörde DEA versuchte die Kokainproduktion in Kolumbien, dem weltweit wichtigsten Anbaugebiet, zu reduzieren. Dafür wurden nicht nur Eliteeinheiten des US-Militärs eingesetzt, sondern auch die kolumbianische Armee und nicht zuletzt bewaffnete Milizen, die im Sold von Großgrundbesitzern stehen. Der Bürgerkrieg in Kolumbien, der das Land ohnehin seit den 1960-ern in Beschlag hielt, wurde so nur noch weiter angeheizt.

Nachbar, Todfeind

Selbst als in Lateinamerika nach der Jahrtausendwende immer mehr linke oder kommunistische Regierungen an die Macht kamen und diese sich von den USA distanzierten, blieb Kolumbien ein treuer Verbündeter.

Das Nachbarland Venezuelas wurde zu dessen erbittertstem Gegner. Je mehr Venezuela in den Griff des sozialistischen Militärdiktators Hugo Chavez kam, desto härter wurde der politische Konflikt. Beide Seiten versuchten die Regierung des Nachbarlandes zu destabilisieren, mehrmals war man einem Krieg gefährlich nahe.

Seit Venezuela nach dem Tod von Hugo Chavez in Gewalt, Chaos und Elend versinkt, ist Kolumbien das von der Krise am stärksten betroffene Land. Zehntausende Venezolaner sind über die Grenze nach Kolumbien geflohen, versuchen im Nachbarland Arbeit oder zumindest lebensnotwendige Güter zu finden, die es in ihrer Heimat längst nicht mehr gibt.

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Eine militärische Intervention der USA in Venezuela ist nicht erst seit der jüngsten Eskalation im Gespräch. US-Präsident Trump hat seit seinem Amtsantritt öffentlich damit spekuliert. Für Alexander Main, Lateinamerika-Experte eines bekannten Think-Tanks in Washington, nur die konsequente Fortsetzung einer Politik, die die USA zumindest seit Beginn des 20. Jahrhunderts verfolgen: „Es geht darum die US-Vormachtstellung in Lateinamerika zu sichern.“