Depp gegen Heard: "Ich bin besessen von der Wahrheit"
Von Dirk Hautkapp
Es war ein Seelen-Striptease, der beim Zuschauen wehtat. Hollywood-Superstar Johnny Depp hat im Millionen-Prozess um wechselseitige Verleumdungsvorwürfe gegen seine frühere Ehefrau Amber Heard am Dienstag erstmals den Zeugenstand betreten.
Der 58-Jährige warf seiner die Verhandlung mit regungslosem Blick verfolgenden Ex vor, 2016 „sehr abscheuliche“ Anschuldigungen (körperliche, psychische und sexuelle Gewalt etc.) gegen ihn erhoben zu haben, die allesamt falsch seien. „Es gab Streitigkeiten. Aber ich habe nie den Punkt erreicht und Miss Heard geschlagen. Ich habe niemals in meinem Leben eine Frau geschlagen.“
Die 35-Jährige hatte über ihre Anwältinnen schon zum Auftakt des in Fairfax/Virginia stattfindenden und täglich live über vom Sender Court TV übertragenen Verfahrens das exakte Gegenteil behauptet. Dazu Depp: „Erst bist Du Cinderella und dann in Bruchteilen von Sekunden Quasimodo.“ Depp, wie in den Prozesstagen vorher im gediegenen Dreiteiler mit Krawatte erschienen, sprach langsam und mit weicher, sonorer Stimme. Er erklärte das Motiv, den lange zurückliegenden Rosenkrieg mit Heard juristisch klären zu lassen, so: „Es war diabolisch, dass meine Kinder in der Schule darauf angesprochen wurden. Mein Ziel ist die Wahrheit. Ich bin besessen von der Wahrheit. Es hat mich umgebracht, dass Leute, die mich kennen, dachten, dass ich sie angelogen habe.“
Traumatische Kindheit
Der schwerreiche Künstler beschrieb die Anfänge der 2017 offiziell geschiedenen Beziehung als wundervoll: Heard sei verständnis- und liebevoll gewesen. „Sie hat mich, wenn ich von der Arbeit kam, auf die Couch gesetzt, ein Glas Wein eingeschenkt und mir die Stiefel ausgezogen. Das kannte ich nicht.“
Mucksmäuschenstill wurde es im Saal 5 J, als der in ärmlichen Verhältnissen im Südstaat Kentucky geborene Depp seine traumatische Kindheit rekapitulierte, in der Frauen-Gewalt dominierend gewesen sei. „Meine Mutter war ziemlich gewalttätig und grausam. Es gab körperlichen Missbrauch. Aschenbecher an den Kopf geworfen, mit Stöckelschuh geschlagen, solche Sachen.” Noch schlimmer sei der psychische Missbrauch gewesen, dem sich der Vater durch Flucht entzogen habe, als er Teenager gewesen sei. Depp hatte von Kindesbeinen an Augenprobleme, ist links nahezu blind. „Meine Mutter hat alles zu mir gesagt, um mich zu verhöhnen und zu demütigen.” In seinem Elternhaus habe es „keine Sicherheit und Geborgenheit” gegeben.
Weitere Zeugen folgen
Depps Kern-Aussage - ich habe Amber Heard nicht geschlagen und missbraucht! - wird in dieser Woche zu weiteren Zeugenvernehmungen führen. Sie lag auf einer Linie mit Berichten von Zeugen, die seine Anwälte aufgeboten hatten. Isaac Baruch, jahrzehntelanger Freund Depps in Los Angeles, bestritt kategorisch, dass Heard jemals die Spuren von häuslicher Gewalt getragen habe; und er wohnte lange Zeit in einem Penthouse neben dem Paar.
David Kipper und Debbie Lloyd, einst Privat-Arzt und -Krankenschwester Depps, erklärte in Video-Vernehmungen, dass sie niemals Augenzeugen einer physischen Auseinandersetzung zwischen den Ex-Eheleuten geworden seien. Depps privater Sicherheitschef Sean Bett sagte aus, dass er Heard, die er vor über zehn Jahren kennengelernt habe, zu keiner Zeit in der Beziehung mit Johnny Depp für gefährdet hielt. Keenan Wyatt schließlich, Ton-Ingenieur bei mehreren Depp-Filmen und Freund des Schauspielers, ließ wissen, dass er Depp nie gewalttätig erlebt habe.
Depp fordert 50 Millionen Schadenersatz
Der Schlammschlacht-Prozess, der nach Einschätzung von US-Beobachtern ungeachtet des offenen Ausgangs das Ex-Paar gleichermaßen beschädigen wird, hatte vor neun Tagen begonnen. Depp wirft seiner früheren Ehefrau formal vor, ihn vor vier Jahren in einem Artikel in der Washington Post häuslicher Gewalt bezichtigt zu haben. Danach geriet der Mime, der allein mit der erfolgreichen „Fluch der Karibik”-Reihe der Film- und Kinoindustrie Milliarden-Einnahmen bescherte in Misskredit und wurde in Hollywood gemieden.
Depp verlangt 50 Millionen Dollar Schadenersatz. Amber Heard konterte die juristische Attacke mit einer Gegenklage im Volumen von 100 Millionen Dollar. Richterin Penney Azcarate will bis Ende Mai zu einem Urteil kommen.