Wasserstoffzug für das Zillertal landet endgültig am Abstellgleis
Von Christian Willim
Bis zu 180 Millionen Euro an Mehrkosten in 30 Jahren hätte die Umstellung der Zillertalbahn von Diesel auf Wasserstoff im Vergleich zu einem über eine klassische Oberleitung versorgten Zug kosten können.
Die schwarz-rote Landesregierung ließ sich davon im Vorjahr nicht beirren und setzte als "bewusste Entscheidung für die Innovation" auf eine Wasserstoffbahn, wie ÖVP-Landeshauptmann Anton Mattle damals meinte.
Dieser Grundsatzbeschluss aus dem Juni 2023 wurde am Dienstag revidiert. Der Grund dafür: Eine vom Land bei der TU Wien beauftragte Gegenüberstellung verschiedener emissionsfreier Antriebsvarianten. In der Akku-Technologie sehen die Fachexperten das größte Potenzial, teilte das Land mit.
Mit Akku-Technologie
„Damit ist die Entscheidung gefallen. Die Zillertalbahn soll künftig mittels einer Akku-Technologie betrieben werden“, erklären ÖVP-LH-Stellvertreter Josef Geisler und SPÖ-Verkehreslandesrat René Zumtobel unisono. Die Kernergebnisse der Bewertung zur Dekarbonisierung der Zillertalbahn wurden schon am vergangenen Freitag dem Zillertaler Planungsverband präsentiert.
Dass der ursprüngliche Grundsatzbeschluss der Regierung nun doch verworfen wurde, ist in Wahrheit nur einem Umstand zu verdanken. Kaum war der Entschluss gefasst, versank die Zillertalbahn im vergangenen Sommer in einem Plagiatssumpf.
Der falsche Doktor
Ausgerechnete der Technikvorstand des Unternehmens, der als Hauptanschieber für die Wasserstoff-Variante unterwegs war, entpuppte sich als falscher Dotkor, der noch dazu eine Dissertation gefälscht hatte.
Der zuvor stets als Experte für Wasserstoff gepriesene Vorstand musste seinen Hut nehmen. Und die Debatte über die beste Antriebsart für eine Umstellung auf eine umweltfreundliche Zillertalbahn nahm erneut Fahrt auf. Dabei war schon die Grundlage für den Regierungsbeschluss eine höchst zweifelhafte.
Die Basis dafür war nämlich ein Gutachten, dass eben besagte 180 Millionen Euro an Mehrkosten für die Wasserstoffbahn prognostizierte. Gegenübergestellt wurden darin aber gemäß Voragabe nur zwei Varianten: ein Wasserstoffzug und eine Bahn mit - im Zillertal aus optischen Gründen vehement abgelehnte - Oberleitung.
"Man hat sich nur zwei von drei Möglichkeiten angeschaut", kritisierte Manfred Schrödl, Leiter des Instituts für Energiesysteme und Elektrische Antriebe an der TU Wien, damals gegenüber dem KURIER. Vollkommen außen vorgelassen wurde, wie von den Gutachtern selbst kritisch angemerkt, eine Akku-Variante für die Zillertalbahn.
Für Schrödl war von Anfang an klar: "So lange eine Akku-Zug darstellbar ist, gewinnter er immer gegen den Wasserstoff." Er warnte eindringlich vor einer Verschwendung von Steuergeld - und Strom. Denn im Vergleich zu einem Batteriezug habe Wasserstoff erhebliche energetische Nachteile.
Letztlich konnte sich die Landesregierung zu einer neuerlichen Prüfung von Antriebsvarianten durchringen. Und siehe da: Der Wasserstoffzug ist nun endgültig aus dem Rennen. Wenn auch festgehalten wird: Das seit 2018 verfolgte Wasserstoffkonzept war nach Ansicht der TU Wien zum damaligen Zeitpunkt richtig, wurde nunmehr aber von der Akku-Technologie überholt.
Vor- und Nachteile der Varianten
Somit wird nun ein Akku-Zug forciert. Offen bleibt vorerst, ob die Zillertalbahn nur mit Batterie fahren soll oder diese unterwegs auch über auf Teilen der Strecke gebauten Oberleitungen zwischengeladen werden soll - also einer Hybrid-Variante.
Die Varianten liegen nach Einschätzung der TU Wien Kopf an Kopf, die kalkulierten Kosten pro Kilometer liegen im Toleranzbereich, hieß es von der Landesregierung am Dienstag.
"Die reine Akku-Variante bringt Vorteile bei der Beschaffung, hat aber Nachteile im laufenden Betrieb, insbesondere bei der Nutzungsdauer", wurde erläutert. Die Hybrid-Varianten wiederum bringe Vorteile im laufenden Betrieb, erfordere aber gerade zu Beginn höhere Investitionskosten.
Zudem machen Hybrid-Varianten laut Expertise vor allem dann Sinn, wenn in weiterer Folge ein Vollausbau zu einer durchgängigen Oberleitung forciert wird. Die vollständige Errichtung einer Oberleitung über die gesamte Bahnstrecke schließen die Region und die Tiroler Landesregierung aber unter anderem aufgrund der Grundeigentumsverhältnisse und den hohen Investitionskosten aus.
Der weitere Fahrplan
In weiterer Folge werden nun die nächsten Planungsarbeiten beauftragt und die notwendige Ladeinfrastruktur technisch geprüft. Die Region – insbesondere die Gemeinden und die Tourismusverbände – werden auch in die nächsten Schritte intensiv miteinbezogen. Realisiert werden soll die Dekarbonisierung der Zillertalbahn jedenfalls in der Programmperiode 2025 bis 2030 des Mittelfristigen Investitionsprogramms für Privatbahnen.
Die Zillertalbahn fährt vom Bahnhof in Jenbach im Inntal auf einer 32 Kilometer langen Strecke durch das Tal bis Mayrhofen. Auch Holz wird mit der Bahn auf der Schiene transportiert. Die derzeit im Betrieb befindlichen Loks der Zillertalbahn brauchen 900.000 Liter Diesel im Jahr. Ein neuer Antrieb soll den Zug umweltfreundlich machen.
Zusätzlich soll die Strecke aber auch attraktiviert werden, um möglichst viele Touristen von einer Anreise mit der Bahn statt mit dem Auto zu überzeugen. Das Zillertal ist vor allem im Winter von Stau geplagt.