Tiroler Spionageprozess: Teilschuldsprüche und ein Freispruch
Im Spionageprozess gegen drei in Tirol lebende Türken sind am späten Mittwochnachmittag am Innsbrucker Landesgericht die Urteile gefallen. Die Erstangeklagte und der Zweitangeklagte wurden vom Geschworenengericht wegen der Weitergabe von Informationen über hierzulande aufhältige Landsleute an den türkischen Geheimdienst MIT nicht rechtskräftig zu unbedingten Geldstrafen in Höhe von 3.240 Euro bzw. 2.700 Euro verurteilt.
Die Vorwürfe
Der Drittangeklagte wurde rechtskräftig freigesprochen. Das Geschworenengericht sah somit im Falle der Erst- sowie des Zweitangeklagten das Vergehen des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs einstimmig als erwiesen an. Ein Freispruch erfolgte für das Ehepaar hingegen - ebenfalls einstimmig - hinsichtlich des Vorwurfes der Überlieferung an eine ausländische Macht.
Dabei sollten sie zwei Männer mittels Vortäuschung eines Goldgeschäftes in die Türkei gelockt haben, wo diese schließlich vermeintlich vom Nachrichtendienst Milli Istihbarat Teskilati (MIT) verhört wurden. Außerdem sollen die beiden schuldig gesprochenen, mutmaßlichen Spione - wiederum den Anklagepunkt des Vergehens des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs betreffend - dem türkischen Nachrichtendienst ein kompromittierendes Video eines in Österreich tätigen Religionslehrers übermittelt haben.
Lange Haftstrafen drohten
Im ersten Anklagepunkt sei eine etwaige teilbedingte Geldstrafe jedenfalls „nicht möglich gewesen“, sagte schließlich die Richterin im Anschluss an den Wahrspruch der Geschworenen, der „vollständig und widerspruchsfrei“ erfolgt sei. Eine unbedingte Geldstrafe sei vor allem aus „generalpräventiven Gründen“ notwendig gewesen.
Den Angeklagten hätte im Falle einer Verurteilung im Anklagepunkt des Vergehens der Überlieferung an eine ausländische Macht bis zu zehn Jahre Haft gedroht. Für das Vergehen des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs ist ein Strafrahmen von bis zu drei Jahren Haft vorgesehen.
Die Angeklagten hatten zuvor am ersten Verhandlungstag am Montag geschlossen auf „nicht schuldig“ plädiert. „Ich habe nichts mit dem MIT zu tun, weiß nichts von Goldgeschäften und habe auch kein einschlägiges dreihundertseitiges Dossier mit Namen verfasst oder gar an den MIT weitergeleitet“, sagte die Erstangeklagte vor dem Geschworenengericht.
In dem gegenständlichen Dossier - in dem laut Anklageschrift vor allem Namen von Anhängern der Gülen-Bewegung standen - sei in Wahrheit etwas gänzlich Anderes zu finden. Auch der Zweitangeklagte - der Ehemann der Erstangeklagten - wollte das Goldgeschäft am ersten Verhandlungstag nicht wirklich kommentieren. Er habe zwar mit einer Person darüber gesprochen, mit dem MIT habe aber all das nichts zu tun gehabt.
Das Video habe er hingegen zwar „tatsächlich weitergeleitet“, jedoch nicht an den MIT, sondern mit der Intention, dass der darauf zu sehende Moschee-Vorbeter „seines Amtes enthoben wird“.
„Vereinsstreitigkeiten“ in der Moschee
Der Drittangeklagte - er war im Juni nicht rechtskräftig wegen des Tatbestandes der Wiederbetätigung zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt worden - leugnete ebenfalls jegliche MIT-Verbindung und argumentierte, dass es im 300-seitigen Dossier lediglich um „Vereinsstreitigkeiten“ in der Moschee gehe. Das Video habe er zwar gesehen, jedoch „nicht weitergeleitet“.
Dieses sei jedenfalls unabhängig von ihm „skandalöses Stadtgespräch“ gewesen. „Danach hat der Vorbeter einfach seine Koffer gepackt und war weg“, so der Mann.
Die drei einvernommenen Zeugen - die beiden Männer rund um den versprochenen Golddeal und der Vorbeter, der auf dem Video zu sehen ist - konnten ebenfalls nichts zum Geheimdienst und etwaigen Verbindungen der Angeklagten mit diesem sagen. Beide Männer waren sich einig, dass es sich bei den Männern vor Ort in der Türkei „viel eher um Betrüger denn um den MIT gehandelt hat“.
STA sieht Geheimdienstverbindungen
Der Vorbeter betonte zudem, dass er wegen „Scham“ seine Koffer gepackt und es keinen Druck aus der Türkei gegeben habe. In seinem Schlussplädoyer am Mittwoch betonte der Staatsanwalt, dass man aus der „Lebensweise“ der Angeklagten jedoch trotz ihrer Leugnung von Verbindungen mit dem türkischen Geheimdienst klar Verbindungen der drei Angeklagten zum MIT ableiten könne.
„Es gibt nämlich, anders als von den Angeklagten betont, sehr wohl noch einen Bezug zur Türkei und dort durchaus auch zu rechtsextremen Bewegungen“, führte der öffentliche Ankläger aus. Gerade weil die Angeklagten unauffällig wirkten und - im Falle der Erst- und des Zweitangeklagten - eher wenig gebildet seien, liege der Spionageverdacht nahe.
„Um flächendeckend zu bespitzeln, braucht es eben die Putzfrau und den normalen Arbeiter“, argumentierte er. Dass die Geschichte „nebulös“ sei, sei im Sinne der Sache: „Geheimdienste arbeiten verdeckt und eben nebulös und schwer greifbar.“
Verteidige: „Es bleibt überhaupt nichts von der Anklage übrig“
Die Verteidiger der Angeklagten widersprachen den Ausführungen des öffentlichen Anklägers vehement. „Wir haben es hier definitiv nicht mit dem Geheimdienst und mit Spionen zu tun“, sagte die Verteidigerin des Erstangeklagten. Alle Zeugen hinsichtlich des „Goldgeschäftes“ hätten nämlich verdeutlicht, dass sie es mit „Betrügern zu tun hatten“, sicher aber nicht mit dem MIT.
Dem schloss sich auch der Verteidiger des Zweitangeklagten an: „Es gibt keine Hinweise darauf, dass irgendwer hier Mitglied des MIT ist oder damit zu tun hat“, sagte er. Der Verteidiger des Drittangeklagten spitzte diese Feststellung zu: „Es bleibt überhaupt nichts von der Anklage übrig“. Der Prozess fand unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt. Im Schwurgerichtssaal des Landesgerichts herrschte Fotografie- und Filmverbot.