Georg Willi, Grüne: Bürgermeister kämpft um seine Wiederwahl
Ein Mann, ein abgewandeltes Bibel-Zitat - in den Augen seiner Gegner hat sich Georg Willi vom Paulus zum grünen Saulus gewandelt. Jahrzehntelang galt er als der bürgerliche Grüne, der mit jedem kann und mit dem jeder kann. Seit er im Jahr 2018 den Innsbrucker Bürgermeistersessel erklomm, mutierte er aber zum Gottseibeiuns der Konkurrenz. Schwer angeschlagen nach einer chaotischen Amtszeit, aber noch nicht ausgeknockt, kämpft der Polit-Fuchs um seine Wiederwahl.
Der erste grüne Stadtchef
Im Jahr 2018 war der politische Himmel für Willi noch voller Geigen gewesen. Wenige Monate nach dem Rausfliegen der Grünen aus dem Parlament sorgte er für eine kommunale Wiederbelebung der Öko-Partei und setzte ein Ausrufezeichen. In der Gemeinderats-Stichwahl obsiegte der mittlerweile 64-Jährige gegen "Für Innsbruck“-Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer, wurde zum ersten grünen Bürgermeister einer Landeshauptstadt und machte so nebenbei die Seinen zur stärksten Fraktion. Eine Schmach für das bürgerliche Lager in Innsbruck.
Es war ein politischer Home Run - und ein Sieg der Person Georg Willi. Das Polit-Urgestein vermochte wie kein anderer grüner Kandidat zuvor über die ureigensten Wählerschichten hinauszuwirken, weit in "bürgerliche“ Kreise vorzudringen und die mit Oppitz-Plörer Unzufriedenen einzusammeln.
Von da an ging es großteils bergab. Willi schmiedete eine Viererkoalition mit "Für Innsbruck“, ÖVP und SPÖ, der auch die unterlegene Widersacherin Oppitz-Plörer als Vizebürgermeisterin angehörte. Steine hatte er genug im Rucksack: Eine schwierige, nicht von ihm verschuldete Lage aufgrund der Causa Patscherkofelbahn und dazu eine bürgerliche Konkurrenz, die es wohl stets als eine Art „Betriebsunfall der Geschichte“ betrachtete, dass ein Grüner die Landeshauptstadt politisch anführt.
Woran es haperte
Hinzu kamen viele hausgemachte Fehler: Eine teils chaotische Amtsführung, Alleingänge, die von ihm forcierte Abwahl Oppitz-Plörers als Vizebürgermeisterin. Äußerst umstrittene Handlungen wie ein Sondervertrag für die Ex-Personalamtsleiterin der Stadt, der Willi sogar - letztlich eingestellte - Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) einbrachte. Und immer wieder Vorwürfe quer durch die meisten anderen Fraktionen an den Bürgermeister, in denen von rein ideologiegetriebener Politik, mangelnder Teamfähigkeit bzw. dem Willen dazu sowie schlechter Beratung die Rede war.
Chaos und Streit waren an der Tagesordnung, der frühere Sympathieträger Willi wurde zu einer Art stadtpolitischem Feindbild. Nachdem die Koalition 2021 auseinandergebrochen war, herrschte das "freie Spiel der Kräfte“ - die Auseinandersetzungen wurden nur noch heftiger.
Politische Beobachter gewannen den Eindruck: Auf Landes- und Bundesebene bewegte sich das "political animal“ Willi wie ein Fisch im Wasser, doch auf der kommunalen Ebene, auf der es konkrete sichtbare Ergebnisse braucht, strauchelte er.
Am politischen Willen lag es nicht, einiges gelang auch. In der Wohnpolitik bzw. dem brennenden Thema leistbares Wochen setzte der Stadtchef aus seiner Sicht wichtige Akzente, legte sich mit vielen an, stieß zumindest Diskussionen an. Und "übergab“ 1.750 leistbare Wohnungen, wie er nicht müde wurde zu betonen. Detto im Bereich des öffentlichen Verkehrs. Doch vieles blieb Stückwerk. Die großen Würfe gelangen nicht, wohl auch, weil ihm die politische Konkurrenz wenig „gönnte“.
Georg Willi, *6. Mai 1959, studierte nach Gymnasium und einem Abiturentenlehrgang an der Handelsakademie in der Tiroler Landeshauptstadt Ökologie und Rechtswissenschaften.
Von 1989 bis 1994 war er für die Vereinten Grünen im Innsbrucker Gemeinderat. Nach der Einigung zwischen VGÖ und Grüner Alternative wechselte Willi 1994 als Klubobmann in den Tiroler Landtag. Bei der Landtagswahl 2003 schafften die Grünen mit ihm als Landessprecher an der Spitze mit 15,59 Prozent einen fulminanten Sieg. Willi blieb bis 2013 für die Ökopartei im Tiroler Landtag, bis 2012 war er auch ihr Klubobmann. 2013 wechselte er in den Nationalrat. 2018 avancierte er zum Innsbrucker Bürgermeister.
Zu den großen Lieben des leidenschaftlichen Debattierers zählt die Musik: Er ist als Sänger und Chorleiter tätig. Willi ist verheiratet und Vater eines Sohnes. Seine Schwester ist die 2023 für den Oscar nominierte Filmeditorin Monika Willi.
Es blieb zunehmend das Bild des einsamen Bürgermeisters, der noch dazu mit einer Abspaltung in den eigenen Reihen zu kämpfen hatte. Das eines anderen Willi, als es die Öffentlichkeit bisher von ihm hatte.
Alles auf die eine Karte
Nun kämpft er seinen letzten großen politischen Kampf. Abschreiben sollte man ihn nicht. Wahlkämpfen kann und liebt Georg Willi. Er ist umgänglich, nahbar, kann mit Menschen. Und setzt alles auf die Polarisierung mit der FPÖ bzw. der Warnung vor einem blauen Bürgermeister sowie einer "blau-schwarzen“ Koalition. Ein letztes Mal soll diese Karte stechen. Zudem: Das grüne (studentische) Kernwählerklientel ist nach wie vor beträchtlich. Gelingt es aber nicht, den Abfluss der gewonnenen "bürgerlichen Wähler“ zu stoppen, wird Willi politisch im Amt nicht überleben.
Dabei war der Innsbrucker über die Jahre - nicht zuletzt ob seiner vom politischen Freund wie Feind attestierten Sachkompetenz - zum bekanntesten Gesicht der Öko-Partei in Tirol avanciert. Jahrelang wurde er deshalb auch als eine Art Verbindungsmann im Hinblick auf eine Koalition mit der Landes-ÖVP gesehen. Letztlich erntete die Generation um die ehemalige Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe und Klubobmann Gebi Mair mit der schwarz-grünen Regierungsbildung im Jahr 2013 das, was Willi federführend gesät hatte.