Zwischen tiefer Reue und hoher Gewaltbereitschaft
Bei den Gesprächen in der Gewaltberatungsstelle Salzburg erleben Karin Eisl (Jugend am Werk) und Martin Rachlinger (Männerbüro) meist ein ähnliches Bild: „Die Betroffenen können mit Emotionen nicht umgehen.“
Es gibt verschiedene Gründe für ein besonders hohes Aggressionspotenzial: Gewalterlebnisse in der Kindheit, beengte Wohnverhältnisse, Schulden, Arbeitslosigkeit und vielleicht auch noch Alkohol, der die Hemmschwelle herabsetzt.
In Salzburg bieten Jugend am Werk und das Männerbüro gemeinsam die verpflichtenden „Täter-Beratungen“ an, die im September 2021 in ganz Österreich ausgerollt wurden. 1.900 Stunden lang saßen Berater schon potenziellen Tätern – hier spricht man lieber von Gefährdern – gegenüber. Auch dem 41-Jährigen, der in Piesendorf im Salzburger Pinzgau seine Frau mit mehreren Messerstichen getötet haben soll, hörte ein Berater zu.
Oft sind es aber auch Partner, die in einer frühen Gewaltphase von der Polizei aus der Wohnung weggewiesen wurden. „Es gibt Phasen, wo allein in Salzburg zwei Betretungsverbote täglich ausgesprochen werden“, schildert Rachlinger. Für zahnlos halten die Experten die Verbote nicht, weil in vielen Fällen eine schlimmere Entwicklung verhindert worden sei. Eisl: „Die räumliche Trennung kann oft weitere Eskalationen verhindern.“
Die Wegweisungen stellen auch die Aggressoren – in 85 Prozent der Fälle sind es Männer – vor Schwierigkeiten. „Manche schämen sich und schlafen lieber im Auto“, so die Berater. Im Lockdown gab es auch Klagen, dass nicht einmal ein Platz im Hotel zu bekommen war.
Vorfall durchspielen
In den insgesamt sechs Stunden Gespräch wird der Vorfall gemeinsam mit dem Sozialberater noch einmal durchgespielt. Man versucht, Fragen zu klären: Warum kam es so weit? Was haben Sie in dem Moment gefühlt? Was könnte im Fall einer Eskalation helfen? Eisl: „Im günstigsten Fall beginnt ein Nachdenkprozess.“ Anhand von 13 Fragen aus einem wissenschaftlichen Tool wird die Rückfallwahrscheinlichkeit errechnet. Wer sich binnen 14 Tagen nicht anmeldet oder nicht kooperiert, hat mit einer Strafe zu rechnen.
Opfer werden zeitgleich an das Gewaltschutzzentrum vermittelt. Diese Beratung ist aber nicht verpflichtend. Wenn beide zustimmen, können die Daten abgeglichen werden. Rachlinger: „Unsere Forderung ist, dass das automatisch passiert.“
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