Chronik/Österreich

Spur führt nach NÖ: Mysteriöse Todesfälle durch verseuchten Käse

Seit drei Jahren bereits versuchen die Behörden Fälle von Listerien-Erkrankungen nachzuverfolgen – bisher ohne Erfolg. Acht Menschen erkrankten an einem identischen Stamm des Bakteriums, drei davon sollen daran gestorben sein.

Nun meldete die Agentur für Lebensmittelsicherheit (AGES) einen Durchbruch: Die verseuchten Molkerein-Produkte dürften aus einer Käserei im niederösterreichischen Gloggnitz stammen. Sofort folgte ein Produktrückruf für Kajmak, Trinkjoghurt und Frischkäse von der Molkerei im Bezirk Neunkirchen. Bei dem Betrieb handle es sich um die erste traditionelle serbische Molkerei in der Europäischen Union – damit werben die Betreiber zumindest.

Kein neuer Fund

Der KURIER erreichte das Unternehmen am Freitag nach dem Produktrückruf. „Der Lebensmittelinspektor hat uns geraten, unsere Produkte sicherheitshalber kontrollieren zu lassen. Da wir im August geschlossen hatten, sind keine Produkte in den Handel gekommen, die neuen Erzeugnisse werden jetzt geprüft. Die bisherigen Analysen zeigten, dass alles in Ordnung war. Wir vermuten, dass alle betroffenen Produkte in einem Balkan-Lokal in Wien verkauft worden sind, das wir beliefern und es vielleicht dort Probleme gab“.

Diese Vermutung bestätigte die AGES zum Teil. Tatsächlich seien alle Krankheitsfälle in Wien aufgetreten. Ob sich aber alle zu einem einzigen Lokal zurückverfolgen lassen, wurde seitens der Kontrollbehörde nicht kommentiert.

Vorkommen
Listerien sind Bakterien, die etwa in Abwässern, in der Erde oder auf Pflanzen vorkommen. Bei Lebensmitteln können vor allem rohe Fleisch-, Fisch-,  und Milchprodukte mit Listerien kontaminiert sein.  Verunreinigung mit Tierkot  ist  bei  betroffener Rohmilch oft die Ursache

Verbreitung
Listerien werden meistens durch den Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln vom Menschen aufgenommen. Die Inkubationszeit ist sehr unterschiedlich und kann von wenigen Stunden bis hin zu 67 Tagen betragen 

Krankheitsverlauf
Bei gesunden Erwachsenen verläuft eine Listeriose sehr häufig ohne Symptome oder nur mit leichtem Durchfall oder Darmbeschwerden. Immunschwache Menschen, Schwangere oder Kinder können an einer Listeriose aber auch sterben. Die Bakterien bleiben dann nicht im Verdauungstrakt, sondern streuen. Es kann dann zu Kopfschmerzen, starkem Fieber, Übelkeit und Erbrechen, sowie zu Hirn- bzw. Hirnhautentzündung oder  Blutvergiftungen kommen 

Große Kunden

Das Unternehmen beliefert laut eigenen Angaben große Supermarktketten. Dass dort jetzt kontaminierte Produkte erhältlich sind, ist aber fast ausgeschlossen. Bereits ausgelieferte Produkte wurden schon zurückgerufen, neu produzierte Molkerei-Erzeugnisse des Unternehmens dürfen erst nach Vorliegen einer negativen Überprüfung auf Listerien und einer Freigabe durch die Lebensmittelaufsicht wieder ausgeliefert werden. Das Gesundheitsministerium hat die AGES nun beauftragt, weitere Ermittlungen aufzunehmen.

Schwierige Ermittlung

Besonders auffällig ist der lange Zeitraum zwischen dem ersten Erkrankungsfall im Jahr 2020 und Hinweisen auf den Betrieb, der die Produkte in Umlauf gebracht haben dürfte. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums, erklärt das wie folgt: „Zwischen der Ansteckung und dem Ausbruch einer Erkrankung können wenige Tage oder bis zu drei Wochen liegen. Es ist schwierig herauszufinden, wo und was die Betroffenen in diesem Zeitraum gegessen haben.“ Ein Zusammenhang zwischen den identen Bakterienstämmen konnte daher erst jetzt hergestellt werden.

Gefährlich werden können Listerien vor allem für Schwangere, kleine Kinder und Babys sowie ältere und immunschwache Personen. Gesunde Erwachsene leiden meist nur an einer leichten Darmverstimmung und bemerken eine Ansteckung häufig gar nicht. Bei den vulnerablen Gruppen kann die Erkrankung aber sogar zum Tod führen.

Fälle von Listeriose kommen in Österreich relativ häufig vor. 2021 wurden laut AGES 38 laborbestätigte Fälle im Epidemiologische Meldesystem (EMS) verzeichnet. Innerhalb von 28 Tagen nach der Diagnosestellung starben sieben Patienten, was einer Sterblichkeit von 18,4 Prozent entspricht. 2020 gab es in Österreich zwölf Todesopfer, 2019 waren es fünf.

Über strafrechtliche Maßnahmen gegenüber dem Betrieb in Gloggnitz muss gegebenenfalls die Lebensmittelaufsicht entscheiden, vermutlich jene in Niederösterreich, da die Produkte von dort in den Verkehr gebracht wurden. Von dieser wird der Fall an die Strafrechtsbehörden übergeben, wenn sich ein Verdacht gegen den Betrieb erhärten sollte.