Chronik/Österreich

Schneechaos: 16-Jähriger bei Lawinenabgang in St. Anton getötet

  • In Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg und der Steiermark wurde die Lawinenwarnstufe auf die höchste Kategorie fünf angehoben.
  • Das Hochkar bzw. die Göstlinger Katastralgemeinde Lassing wurde am Mittwoch zum Katastrophengebiet erklärt.
  • Ebenfalls gesperrt wurde das Skigebiet Ötscher bis zumindest Freitagvormittag.
  • Nach Hallstatt und Obertraun ist auch die Salzkammergut-Gemeinde Gosau in Oberösterreich nicht mehr auf dem Straßenweg zu erreichen.
  • In der Steiermark sind rund 2.250 Menschen in ihren Ortschaften eingeschlossen.
  • Eine Vermisstensuche im Innviertel wurde abgebrochen.
  • Die Suche nach den beiden vermissten Tourengehern in Niederösterreich soll heute fortgesetzt werden.
  • In der Steiermark kam ein 62 Jahre alter Lehrer beim Skifahren um. 
  • In Salzburg wurden drei Kinder aus einer Lawine geborgen.
  • In Tirol waren rund 1.000, in Niederösterreich 270 Haushalte, in Salzburg 350 Haushalte ohne Strom.

Ein Lawinenabgang in St. Anton am Arlberg im Tiroler Bezirk Landeck hat am Mittwoch ein Todesopfer gefordert. Wie die Polizei berichtete, wurde ein 16-Jähriger im freien Skiraum von den Schneemassen mitgerissen und verschüttet. Für den Burschen kam jede Hilfe zu spät. Er konnte nur noch tot geborgen werden.

Der Bursche war gemeinsam mit seinem Vater, seiner Mutter und seinem Bruder unterwegs, als er kurz nach 16.30 Uhr von einer Lawine im freien Skiraum erfasst wurde. Die drei anderen Familienmitglieder blieben unverletzt. Die Erhebungen zum genauen Unfallhergang waren vorerst nicht abgeschlossen.

Im oberösterreichischen Innviertel ist am Mittwochabend eine große Suchaktion angelaufen. Drei Personen hatten unabhängig voneinander Hilferufe gehört. Fünf Stunden lang durchkämmten rund 160 Einsatzkräfte bei starkem Schneefall die Umgebung - allerdings ohne Erfolg. Die Suche wurde vorerst abgebrochen, da auch keine Vermisstenmeldung vorlag, berichtete das Bezirksfeuerwehrkommando.

Höchste Lawinenwarnstufe in vier Bundesländern

Am Dienstag ist für die steirischen Nordalpen erstmals die höchste Lawinenwarnstufe der fünfteiligen Skala ("sehr groß") verhängt worden, inzwischen galt sie auch in Bereichen der Bundesländer Ober- und Niederösterreich sowie Salzburg. 2.250 Menschen waren zudem in der Steiermark abgeschnitten oder schwer erreichbar, in Vorarlberg war dies am Mittwochvormittag in mehreren Arlberg-Orten der Fall.

Vom Dachstein über das Tote Gebirge bis zum Hochschwab herrschte am Mittwoch in der Obersteiermark "sehr große" Lawinengefahr, die höchste Warnstufe. In den übrigen Landesteilen wurde die Situation von den Experten als nicht ganz so dramatisch eingeschätzt. In den nördlichen Niederen Tauern - den Schladminger Tauern - galt Warnstufe 4 ("groß"). Zahlreiche Verbindungen waren nach wie vor bzw. wieder gesperrt, etwa die Gesäuse Straße, die Verbindung über den Seeberg oder über den Präbichl oder das Niederalpl.

Oberösterreich: Nach Hallstatt und Obertraun ist auch die Salzkammergut-Gemeinde Gosau (Bezirk Gmunden) bald nicht mehr auf dem Straßenweg zu erreichen. Wie lange dieser Zustand aufrecht bleibt, war vorerst offen.

Die Pass Gschütt Straße (B166) wurde um 17.00 Uhr sowohl zwischen Gosaumühle und Gosau gesperrt, womit die Zufahrt von oberösterreichischer Seite weggefallen ist. Die Zufahrt aus Richtung Abtenau in Salzburg war bereits zuvor wegen umgefallener Bäume nicht mehr möglich. Offen war zuletzt noch ein kleiner einspuriger Weg aus Richtung Salzburg. Dieser werde aber im Lauf des Abends ebenfalls gesperrt, hieß es bei der Polizei Abtenau.

Wie lange die Sperre aufrecht bleibt, hänge unter anderem davon ab, wann Hubschrauber fliegen können. Derzeit lasse das die Wetterlage nicht zu. Geplant wäre, dass ein Hubschrauber im Tiefflug mit seinen Rotoren quasi den Schnee von den Baumwipfeln räumt, erklärte ein Polizist. Jene Stämme, denen die Last zu hoch war, würden dann brechen und abtransportiert werden, die übrigen wären keine Gefahr mehr.

Bad Ischl ist durch die Sperre der B145 (Salzkammergut Straße) zwischen Ebensee und Bad Ischl wegen drohender Lawinen nur über Umwege - etwa über das Weißenbachtal - erreichbar.

Für die zuletzt gesperrte Bahnstrecke zwischen Obertraun-Dachsteinhöhlen und Bad Aussee gibt es einen Schienenersatzverkehr über den Pötschenpass. Der Betrieb auf der Strecke zwischen Stainach-Irdning und Bad Aussee wurde bereits am Mittwoch wieder aufgenommen. Damit gebe es ab Donnerstag mit Ausnahme der Verbindung Obertraun-Bad Aussee keine Streckenunterbrechungen in Oberösterreich mehr, so die ÖBB.

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Ein weiterer Toter

In der Steiermark kam ein 62 Jahre alter Lehrer beim Skifahren um. Der Niederösterreicher verunglückte am Dienstagnachmittag auf der Mariazeller Bürgeralpe im Bezirk Bruck-Mürzzuschlag. Der Notarzt konnte nur noch den Tod des Mannes feststellen.

Der Lehrer war als Begleitperson von neun Schülern eines Gymnasiums auf der sogenannten "Familienabfahrt" unterwegs gewesen, als er im Flachstück vor dem letzten Steilhang plötzlich die Ski verlor und links über den Pistenrand an einen steil abfallenden Waldbereich stürzte. Wie das passieren konnte, ist noch nicht bekannt. Im Waldbereich blieb er im lockeren, metertiefen Schnee kopfüber stecken. Wegen der Schneemassen konnten die Schüler nicht sofort helfen.

In den vergangenen Tagen kamen schon sieben Menschen im Schneechaos um.

Vier Schüler unverletzt aus Lawine geborgen

Glück hatten hingegen mehrere Schüler am Wildkogel in Neukirchen am Großvenediger (Pinzgau). Sie sind heute Vormittag bei einem Lawinenabgang auf eine Skipiste zum Teil verschüttet worden, konnten aber unverletzt geborgen werden.

Wie die Polizei am Nachmittag informierte, sind insgesamt sechs jugendliche Skifahrer einer Schülergruppe aus Deutschland von den Ausläufern der Schneebrettlawine erfasst und über den Pistenrand hinaus über eine Böschung gerissen worden. Vier Schüler wurden zum Teil verschüttet. Sie wurden vorsorglich vom Roten Kreuz in das Tauernklinikum Mittersill gebracht.

Die betroffenen Schüler sind 16 und 17 Jahre alt. Zwei davon wurden zur Gänze und zwei zum Teil von den Schneemassen begraben. Zwei weitere Jugendliche wurden zwar von der Lawine erfasst, aber nicht verschüttet. Die 29-jährige Lehrerin, welche die Gruppe begleitet hatte, und eine weitere Schülerin entkamen dem Schneebrett.
 

Weitere Evakuierungen in der Steiermark

Nach vereinzelten Erkundungsflügen haben die Behörden noch am Mittwoch weitere Evakuierungen im obersteirischen Bezirk Liezen beschlossen: Sieben Gebäude im Ortsteil Niederstuttern in der Gemeinde Stainach-Pürgg müssen von den rund 25 Bewohnern verlassen werden. In den Ortsteilen Espang und St. Martin der Gemeinde Mitterberg-St. Martin waren rund 40 Personen in 18 Häusern betroffen.

Katastrophenschutzreferent Michael Schickhofer (SPÖ) beschrieb am Mittwoch geordnete Situationen in den drei zum Katastrophengebiet erklärten steirischen Kommunen. In der Gemeinde Hohentauern sind rund 750 Menschen - 466 Einheimische und 284 Urlauber - eingeschlossen. Die Stimmung unter ihnen sei ruhig und die Lebensmittelversorgung werde von den landwirtschaftlichen Betrieben der Gemeinde bis zum Wochenende gesichert. Auch Hackgutmaterial für Fernwärme sowie Diesel für Einsatzfahrzeuge stünden noch bis zum Wochenende in ausreichender Menge bereit. Die Hausapotheke des Arztes gilt ebenfalls als gefüllt und Medikamente reichen ebenfalls bis zum Wochenende. Die Bewohner seien telefonisch erreichbar und haben Strom. Rund 30 Helfer von Feuerwehr und Bergrettung helfen beim Abputzen der Hausdächer.

Die Gemeinde Pölstal ist im Gegensatz zu Hohentauern grundsätzlich erreichbar, jedoch sind rund 25 Bewohner in 13 Gebäuden im Ortsteil St. Johann am Tauern weiterhin nicht am Straßenweg erreichbar. Sie werden von der Gemeinde Hohentauern mit Medizin und Lebensmitteln mitversorgt. Bei der Gemeinde Pusterwald sind die Zufahrtsstraßen offen, ein Erkundungsflug war aber in dem Gebiet bisher nicht möglich. Fünf Bauernhöfe mit 22 Bewohnern in Hinterwinkel sind allerdings nur schwer erreichbar. Ein Bus mit 50 polnischen Urlaubern sei am Montag abgereist.

Die Sperre der B114 nach Hohentauern und Pölstal bleibe laut dem Katastrophenschutzreferent bis auf weiteres aufrecht. In Pusterwald bleiben zwei Gemeindestraßen weiterhin gesperrt. Weitere Erkundungsflüge sind geplant.
 

Am Donnerstag weiter Stufe 5 in den Ybbstaler Alpen

In den Ybbstaler Alpen wird auch am Donnerstag die höchste Gefahrenstufe 5 ("sehr groß") gelten, hieß es im Bericht des Warndienstes Mittwochabend. Das Risiko im Rax-Schneeberggebiet wurde als "groß" (Stufe 4), in den anderen Regionen als "erheblich" (Stufe 3) eingeschätzt. Für Freitag wird eine Entspannung erwartet.

"Eine Schneebrettauslösung ist bereits durch die Zusatzbelastung eines einzelnen Tourengehers möglich", wurde gewarnt. In den Hochlagen müsse mit spontanen Entladungen von trockenen Schneebrett-und Lockerschneelawinen gerechnet werden, die aufgrund der erheblichen Schneemengen große bzw. sehr große Ausmaße annehmen können. "Mächtige Wechten können brechen und in Folge Lawinen auslösen. Zudem ist auch in tieferen und mittleren Lagen mit spontanen Lawinen aus sehr steilen Hangbereichen zu rechnen", wurde mitgeteilt.

Seit Dienstagfrüh seien bis zu 60 Zentimeter Neuschnee hinzugekommen, mit Schwerpunkt im Bereich Hochkar (Bezirk Scheibbs). Auch für Donnerstag wurden starker Wind und kräftige Niederschläge prognostiziert: Bis am Abend werden weitere 30 bis 60 Zentimeter Neuschnee erwartet, wobei der Schwerpunkt wieder in den Ybbstaler Alpen liege. Am Freitag soll der Niederschlag nachlassen. In der Nacht auf Samstag wird die nächste Front erwartet, die neuerlichen Schneefall bringen soll.
 

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Tiere brauchen Hilfe

Auch Wildtiere laufen Gefahr, unter den Schneemassen begraben zu werden. Ein Video zeigt, wie ÖBB-Mitarbeiter eine Gams befreiten. Beim Räumen der Gleise im Gesäuse wurde versehentlich eine Gams verschüttet. Zwei Eisenbahner griffen zur Schaufel und befreiten das Wildtier aus dem Schnee. Es sprang danach offenbar unverletzt durch den Tiefschnee in den Wald. Die Hilfe sei für die Männer "selbstverständlich" gewesen.

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St. Anton im Wetterpech

Auch das Weltcup-Skirennen von St. Anton ist von den massiven Schneefällen betroffen Drei Jahre nachdem die Damenrennen wegen Schneemangels abgesagt werden mussten, kam diesmal das K.o. für die Arlberg-Kandahar-Rennen wegen zu viel Schnee und aus Sicherheitsgründen. Die extreme Winterwetterlage führte dazu, dass die für das kommende Wochenende geplant gewesenen Abfahrt und Super-G schon am Mittwochabend abgesagt werden mussten.

Ob die Rennen woanders nachgeholt werden können, war vorerst offen. Der ÖSV sei prinzipiell bestrebt, Rennen in Österreich zu behalten, hieß es dazu aus dem Büro des Skiverbandes in Innsbruck. FIS-Renndirektor Atle Skaardal hält es für möglich, dass man etwa die Abfahrt nächste Woche am Freitag vor den traditionellen Dolomiten-Speedrennen in Cortina d'Ampezzo durchführt. "Das wäre das nahe liegendste", sagte Skaardal.