Poller vor Kanzleramt: 800.000 € Kosten, aber Sicherheitslücken
Über die Sinnhaftigkeit von Anti-Terror-Pollern wird oft gestritten, Sicherheitsexperten sind durchaus skeptisch über den tatsächlichen Nutzen. Der Rechnungshof hat nun den Bau der Terrormaßnahmen im Regierungsviertel geprüft. Fazit: Der Bau war zu teuer: 799.000 Euro gab die Republik dafür. Dazu kam der Spott in sozialen und klassischen Medien. Allein die Folgen des Baustopps verursachten Zusatzkosten in der Höhe von 243.000 Euro.
Bis heute schieben sich die Beteiligten den schwarzen Peter gegenseitig zu. Das Innenministerium (noch unter Wolfgang Sobotka, ÖVP) wollte eigentlich ein größere gesicherte Sperrzone um die zwei wichtigsten Gebäude der Republik errichten - doch Stadt, Bundeskanzleramt und Präsidentschaftskanzlei waren offensichtlich gegen solche martialischen Methoden. Bis heute gibt es Schwachstellen in dem Sicherheitskonzept, die noch nicht behoben sind, urgieren die Prüfer. Die Pläne wurden mehrfach verändert, aus einem großen Sicherheitskonzept wurden Poller, dann eine Mauer und schlussendlich doch wieder Poller.
Untersucht wurde vom Rechnungshof nun das Areal rund um das Bundeskanzleramt und die Präsidentschaftskanzlei aber auch um das Innenministerium. Das Bundesamt für Terrorismusbekämpfung (BVT) präsentierte dafür im März 2015 ein Sicherheitskonzept. Damals waren noch fixe Poller geplant. Die große Anzahl der Poller sowie die Fahrbahnführung unter anderem vor dem Bundeskanzleramt wurden allerdings kritisch betrachtet. Noch im selben Jahr wurde ein neuer Entwurf vorgelegt. Dieser enthielt fixe und hydraulische Poller sowie Granitelemente. Bis März 2017 erfolgten weitere Adaptierungen.
80 Zentimeter hohe Mauer
Statt der Granitmauer war auch aus Kostengründen schließlich eine Stahlbetonmauer geplant. Diese sollte 80 Zentimeter hoch sein und farblich an die Fassade der Präsidentschaftskanzlei angepasst werden. Der Entscheidungsprozess zur Umsetzung des Sicherheitskonzeptes im Regierungsviertel dauerte zwei Jahre.
Der Rechnungshof kritisiert, dass noch im Jahr 2017 Mängel in den Planungen des Innenministeriums vorlagen. Dies betraf etwa die unzureichende Schutzwirkung des Anprallschutzes im Einfahrtsbereich der Präsidentschaftskanzlei.
Im Juli 2017 wurde mit den Arbeiten begonnen - doch am 7. September 2017 hat das Bundeskanzleramt einen Baustopp nach zahlreichen kritischen Medienberichten veranlasst. Für diesen Baustopp konnte der Rechnungshof weder wirtschaftliche noch technische Gründe feststellen.
Während der Ausführungsphase des Bauprojektes wurde die Entscheidung getroffen: Statt Schutzmauern sollten fixe Poller errichtet werden. Die Bauzeit verlängerte sich somit von 81 auf 136 Kalendertage - daraus wiederum resultieren Mehrkosten von 45.000 Euro.
Zum Zeitpunkt des Baustopps am 7. September 2017 hatte die Baufirma das Fundament für die Schutzmauern bereits fertiggestellt. Um die Poller errichten zu können, mussten Umbauarbeiten durchgeführt werden. Kostenpunkt: 41.000 Euro. Der Anteil des verlorenen Aufwandes an bereits errichteten Schutzmauerteilen belief sich gemäß Berechnungen des Rechnungshofes auf 143.000 Euro.
Kostensteigerung um 30 Prozent
Das Personal der Baufirma konnte nicht planmäßig eingesetzt werden. Daraus resultierten Kosten in der Höhe von rund 14.000 Euro. Der Baustopp kostete somit in Summe 243.000 Euro, stellten die Prüfer fest. Das entspricht 30 Prozent der Gesamtkosten. Insgesamt schlug die Errichtung von 42 fixen Pollern und zwei hydraulischen Pollern vor dem Bundeskanzleramt sowie elf fixen und vier hydraulischen Pollern bei der Präsidentschaftskanzlei mit rund 799.000 Euro zu Buche.
Kritisiert wurde auch, dass der Bau der Poller vor dem Innenministerium in der Herrengasse (Kosten 306.000 Euro) direkt vergeben wurde, obwohl ab 100.000 Euro eine Ausschreibung vorgeschrieben wäre.
Der Rechnungshof prüfte außerdem aich die baulichen Sicherheitseinrichtungen der Stadt Wien. Er nahm die geplanten Maßnahmen zum Schutz vor mehrspurigen Fahrzeugen am Rathausplatz, in der Kärntner Straße und in der Mariahilfer Straße positiv zur Kenntnis. Die Prüfer anerkannten, dass die Schutzmaßnahmen für den Rathausplatz ehestmöglich nach den ersten derartigen Angriffen auf Menschenmengen in Europa im Jahr 2016 angestrebt wurden. Kritisch wies der Rechnungshof darauf hin, dass die Stadt Wien dabei zum Teil auch sicherheitsrelevante Informationen, wie zum Beispiel die Sicherheitsklassen von Pollern, an einen breiten Empfängerkreis verteilte.
Der Rechnungshof empfiehlt dem Bundesministerium für Inneres bzw. dem Bundeskanzleramt Kooperationsvereinbarungen mit Betreibern kritischer Infrastruktur voranzutreiben sowie bei fehlender Kooperationsbereitschaft auf eine zweckmäßige gesetzliche Regelung hinzuwirken.