Chronik/Österreich

Neue Lust am Radeln: Der Drahtesel dreht auf

Mit dem Anstieg der Temperaturen steigt auch die Zahl der Radler wieder. Nach den Daten des Verkehrsclub Österreich (VCÖ) gibt es im Land deutlich mehr Fahrräder als Autos. Und das wird sich auch nicht so schnell verändern – das Fahrradfahren boomt. Dem Burgenland wurde im Corona-Jahr sogar nachgesagt, das neue Mallorca zu sein (denn die Insel ist nicht nur für den Ballermann bekannt).

Neue Rekordwerte

In rund 77 Prozent der österreichischen Haushalte gibt es ein funktionstüchtiges Fahrrad. In Wien verfügen im Ländervergleich die wenigsten über eines (61 Prozent, bei den Autos sind es 55 Prozent). Dennoch erreichte der Radverkehr in der Bundeshauptstadt 2020 einen neuen Rekordwert: Neun Prozent der Alltagswege legten die Wiener mit dem Fahrrad zurück. Der Anteil ist damit dreimal so hoch wie noch im Jahr 2005. Außerdem haben mehr Haushalte ein Rad als ein Auto. So ist es auch in Salzburg, wo es die meisten Räder in Relation zu den Haushalten (86 Prozent) gibt.

Der durch Corona noch angeheizte Boom werde sich fortsetzen, meint VCÖ-Sprecher Christian Gratzer. „Immer mehr entdecken das Fahrrad als ideales Verkehrsmittel“. Bei einer vom VCÖ beauftragten repräsentativen Umfrage gab im vergangenen November etwa jeder vierte Niederösterreicher an, infolge der Corona-Krise das Fahrrad häufiger als Verkehrsmittel zu nutzen als vorher.

Hochpreisige Nachfrage

Und dabei handelt es sich nicht um „Drahtesel“. Die Bezeichnung ist so verstaubt, wie das Gefährt, das man sich dahinter vorstellt. Heute sind es Fahrräder oder „Bikes“ – mit oder ohne Elektromotor, mit denen Jung und Alt unterwegs sind. Es wird mehr gefahren, und da ist es wichtig, dass das Zweirad auch etwas taugt.

Einer, der das bestätigen kann und wissen muss, ist Christian Pfannberger. Der frühere Profi-Radrennfahrer und Staatsmeister betreibt in Baden (NÖ) ein Rad-Fachgeschäft. „Das Geschäft läuft sehr gut“, berichtet er, „das Problem ist derzeit eher, dass ich genug Ware bekomme. Wenn man nicht rechtzeitig genug vorbestellt hat, wird es recht schwierig. Die Teile kommen fast alle aus China, und obwohl um die Hälfte mehr geliefert wird, ist die enorm starke Nachfrage kaum zu bedienen.“

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Dass die Corona-Krise den Fahrrad-Boom noch zusätzlich beschleunigt hat, ist für Pfannberger klar erkennbar: „Ich glaube, dass viele Leute im Lockdown zum Sport und zum Radfahren gekommen sind. Denn Radfahren durfte man schließlich immer. Dass sich viele in der Natur bewegen wollen, ist ein positiver Aspekt der Krise.“

Neu-Einsteiger

Und so finden sich nicht wenige Neu-Einsteiger im etwas „gehobeneren Alter“ unter seinen Kunden. „Viele sind darunter, die mit 40, 50 jetzt aufs Radfahren gekommen sind. Und die wollen gute Beratung und gute Qualität haben“, sagt er. Qualität, die ihren Preis hat – und bezahlt wird. „In dem Bereich oberhalb von 10.000 Euro haben wir noch nie so viel verkauft wie jetzt.“

Und wie sind die Trends? Am E-Bike führt weiterhin kein (Rad-)Weg vorbei. Im Alltag sind Transportfahrräder immer beliebter, im sportlichen Bereich Gravel-Bikes (Rennräder mit breiteren Reifen). Generell gilt: Radfahren liegt im Trend. Sechs von zehn Österreichern im Alter von 16 bis 69 Jahren treten im Alltag in die Pedale.

Erfolg mit Kinderfahrrädern 

„Kinder brauchen Kinderräder. Und keine kleingeschrumpften Erwachsenenräder“ – aus dieser Überzeugung heraus gründeten  Christian Bezdeka und Marcus Ihlenfeld  „woom“. Das war 2013 in einer Garage. Heute stehen sie vor leeren Lagern – nicht weil es schief ging, sondern erfolgsbedingt.

2020 hat das nö. Unternehmen  aus Klosterneuburg über 200.000 Fahrräder für  Eineinhalb- bis Vierzehnjährige  in über 30 Ländern verkauft. Seit der Gründung verdoppeln sich die Verkaufszahlen jedes Jahr. „Wahrscheinlich werden wir erst zu Ostern wieder liefern können“, erzählt Bezdeka.

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„woom“-Bikes wurden speziell für Kinder entwickelt. Sie sind bis zu 40 Prozent leichter als andere Kinderfahrräder, „jedes Teil wurde so entwickelt – vom Rahmen bis zur Bremse – dass es für Kinder optimal ist“, so Bezdeka. Denn Kinder sollen es möglichst einfach haben. Bei den gängigen anderen Fahrrädern für Kinder ist der Rahmen so schwer, dass  er bis zu 70 Prozent ihres Körpergewichts ausmacht. „Rechnet man das auf einen 80 Kilo schweren Erwachsenen um, würde das Rad 50 Kilo haben“, rechnet Ihlenfeld vor. Auf so einem Fahrrad das Fahren zu lernen, wäre so, als würden „wir es auf einem Mofa lernen“.

Bisher hat das Unternehmen in Asien  produziert, nun will man das ändern und die Produktion für Europa zur Gänze nach Europa verlagern. Im Jänner wurde das erste Werk in Polen eröffnet.