Mit dem Unimog um die Welt: Bei einer Panne helfen Wurstsemmeln
Von Marlene Penz
Mararikulam, Kerala, Südindien, ein militärisch anmutendes Fahrzeug direkt am Strand. Ist die Urlaubsidylle zu Ende?
Beim Näherkommen lässt das Schweizer Kennzeichen vermuten, dass dem nicht so ist. Doch die Neugierde ist nicht gestillt.
Der umgebaute Mercedes Unimog, ausgemustert von der belgischen Armee, gehört Marlene und Daniel aus Zürich. Die 57-Jährige und der 60-Jährige haben ihr Zuhause hier geparkt, „um sich auch mal wieder mit Weißen auszutauschen“, oder nicht groß aufzufallen, denn hier gibt es einige westliche Touristinnen und Touristen – nicht immer ist das so bei ihrer Reise.
Reise quer durch viele Länder
Die beiden haben ihren „Overlander“ nicht etwa hierher verschiffen lassen, sie sind mit dem Wagen durch viele Länder gereist. Vor dreieinhalb Jahren haben sie ihre Wohnung in der Schweizer Finanzhauptstadt aufgegeben, um die Welt zu entdecken.
Im Nachhinein betrachtet, war das schon ein Risiko, wie Daniel erzählt. „Wir hatten Null Erfahrung im Campen, waren so 0815-Touristen, die zwei bis vier Wochen in einen Touristenort geflogen sind oder einen Städtetrip gemacht haben.“
Eine spontane Aktion war die Reise aber nicht. Mehr als sechs Jahre lang plante das Paar, auch um finanziell unabhängig sein zu können bis zur Pension. Sechs Jahre vor dem Start hat das Paar seine Lebenskosten auf ein Minimum reduziert, den Wagen umgebaut, sich ein Datum gesetzt, wann es losgehen soll, sein Umfeld informiert.
Kein Blabla
Das gebe nicht nur eine Motivation, dann auch wirklich loszufahren, sondern „da musst du dann auch kein schlechtes Gewissen haben“, sagt Daniel. Er ist Mit-Eigentümer einer IT-Firma und hat Kollegen, Geschäftspartner und Kunden auf seine Reise vorbereitet. Marlene, Lehrerin, erzählt, dass ihr ein Arbeitgeber nicht geglaubt habe, als sie ihn davon in Kenntnis gesetzt hat. „Blabla, Marlene“, habe er gesagt.
„Wir müssen nicht reisen, wir dürfen reisen“, sagt sie im Campingsessel sitzend mit Blick aufs Meer. Natürlich könnten sie jederzeit zurück. „Wir sehnen uns aber im Moment nicht nach Hause“. Viel zu sehr haben sie sich an ihr Nomadenleben auf 7 m² Wohnfläche gewöhnt.
Autark
Durch Solarpanele und einen 250-Liter-Wasser- und 400 Liter Dieseltank sind sie autark. „Wir haben genug Strom, genug Wasser, sitzen irgendwo mit den Kamelen oder mit den Einheimischen oder ganz allein“, erklärt Marlene ihren Alltag. Das spannendste Erlebnis? „Stell dich irgendwo in einem fremden Land in einem abgelegenen Dorf auf einen Platz, zum Beispiel einen Sportplatz, und schau was passiert“, sagt Daniel.
Vor allem in Indien, wo sie vom Norden in den Süden gefahren sind, gibt es viele Orte, die von Touristen noch nicht entdeckt wurden. „Es gibt eine Dynamik in so einem Dorf, als erste Weiße. Da wirst du von Kindern an der Hand genommen, dir wird die Schule gezeigt, du lernst Mama, Papa, die ganze Familie kennen. Da gibt es dann Feierlichkeiten und Zeremonien. Vor drei Tagen kommst du nicht mehr weg“, sagt die Schweizerin.
Interesse an anderen Kulturen
Aber wie funktioniert das mit der Kommunikation? Mit Hand und Fuß ist die Antwort und: „Lachen, Liebe geben, Liebe nehmen, das ist ein großer Austausch, das funktioniert sehr gut“, erzählt Marlene. „Wenn jeder sich für andere Kulturen interessieren würde, sich eindenken, einleben könnte, hätten wir wahrscheinlich die Kriege nicht“, ergänzt Daniel.
Sie erzählen, dass sie so viele besondere Begegnungen hatten in Ländern, in denen nun Krieg herrscht (Ukraine und Israel) oder es zu kriegerischen Handlungen kommt (Pakistan und Iran). Bei einer Familie in der Ukraine durften sie sich etwa im Garten bedienen oder in ihrer Küche kochen. Jetzt wohnt diese bei der Familie von Daniel in der Schweiz.
So manches Mal wurde ihnen schon „aus der Patsche“ geholfen. Bei Autopannen etwa, die bringen sie mittlerweile nicht mehr aus der Ruhe. „Wenn du eine Panne hast, setz dich hin, iss eine Wurstsemmel, trink was, schnauf, atme, komm zur Ruhe und überlege. Vielleicht ist bis dahin die Hilfe schon da“, sagt Marlene. Wenn nicht, nochmals atmen, und dann erst loslegen.
In der Hektik könne man noch mehr kaputt machen oder es könne gefährlich werden.
Enge Passstraße
Brenzlig wurde es dennoch manchmal. In Nepal etwa. Ihretwegen wurde eine Straßensperre errichtet – nämlich um sie zu stoppen. „Man bestand darauf, dass wir eine gefährlich enge Passstraße in der Nacht durchfahren, untertags sei Fahrverbot für Lkw und größere Fahrzeuge. Das haben wir nicht akzeptiert – hier ging es auch um unsere Sicherheit“, erzählt Daniel. Sie standen auf, liefen an den Wachposten vorbei und fuhren los. In der nächsten Stadt wartete die Polizei. „Wir sind dann ins Büro des Polizeichefs geführt worden. Dort gab es Tee und eine Belehrung, es war ein bisschen wie früher beim Direktor“, erzählt Marlene. Nach einer Entschuldigung ging die Reise für sie weiter, verabschiedet wurden sie von winkenden Beamten.
Ihre Erlebnisse halten sie in ihrem Blog madahin.ch fest. In erster Linie, damit Daniels Mutter Teil ihrer Reise sein kann, aber auch um davon zu zehren, wenn sie älter sind. So weit ist es noch nicht. „Jetzt mit 60 sage ich: Wir haben ja noch mindestens 25 Jahre, da geben wir Vollgas“, sagt Daniel und lacht.