Fahrplan zu den Lockerungen: Letzte Gespräche vor Entscheidung
Die Lockerung des Lockdowns ist auf dem Weg. Die Regierung hat am Montagvormittag mit Experten und Opposition ihren Gesprächsreigen gestartet, der eine Rückkehr des Präsenzunterrichts und eine Öffnung des Handels als Folge haben dürfte. Verraten hat die Koalition SPÖ, FPÖ und NEOS noch nicht, was sie genau plant. Abschließend wird am Nachmittag mit den Landeshauptleuten debattiert.
Die genauen Details der Lockerungen sind noch unbekannt, fix zu sein scheint aber, dass die Schulen wieder Unterricht vor Ort anbieten und dass der Handel auch außerhalb der Produkte des täglichen Bedarfs wieder seine Dienste anbieten kann. Dazu werden Friseure wieder zur Schere greifen dürfen.
Die aktuellen Zahlen sprechen eigentlich gegen eine Öffnung. Die Regierung wollte auf höchstens 700 Neuinfektionen pro Tag runter, steht aber beim Doppelten. Zudem kommt es zu Verzögerung bei den geplanten Impfungen aufgrund von Lieferproblemen bei Astra Zeneca. Die Empfehlung, den Impfstoff zuerst nur an die Altersgruppe der 18- bis 64-Jährigen zu verimpfen kommt erschwerend hinzu. Und dann gibt es ja auch noch die Virusmutationen, die sich auch schon in Österreich eingefunden haben.
Auch ist die 7-Tage-Inzidenz vielerorts noch lange nicht unter 50 gefallen.
Zeitplan für Montag
Am Vormittag gab es ein Treffen zwischen Regierung und Experten im Kanzleramt. Das geladene Quartett bestand aus der Virologin Dorothee von Laer, dem Virologen Andreas Bergthaler, Uni Wien-Vizerektor Oswald Wagner und Herwig Ostermann von der Gesundheit Österreich GmbH.
Gegen 11:30 Uhr war eine Videokonferenz der Bundesregierung mit der Opposition geplant.
Im Anschluss gibt es gegen 13 Uhr ein Treffen der Bundesregierung mit den Landeshauptleuten.
Gegen 16 Uhr soll es dann eine Pressekonferenz mit Regierungsvertretern geben.
Öffnungen gegen den Lagerkoller
Als Grund, warum die Zahlen nicht wie erhofft nach unten gehen, wird neben den infektiöseren neuen Corona-Varianten genannt, dass sich die Menschen immer weniger an die Regeln halten. Insofern gibt es die Hoffnung, dass mit einer gewissen Lockerung auch eine quasi emotionale Entspannung in der Bevölkerung eintritt. Zudem will man auf Bedenken von Experten eingehen, wonach vor allem Kinder und Jugendliche durch die eingeschränkten Möglichkeiten, Gleichaltrige zu treffen, immer stärker mit psychischen Problemen konfrontiert sind.
Mehrere Landeshauptleute hatten sich am Wochenende für Lockerungen ausgesprochen. Dabei wurden Argumente gegen den "Lagerkoller" und ähnliches vorgebracht. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian berichtete zudem von zunehmenden Geldsorgen der Arbeitnehmer, und dass "viele Leute vom langen Eingesperrtsein wuggi" seien.
Eine blinde Öffnung wird es jedoch nicht sein. Diskutiert wird, die FFP2-Pflicht noch einmal zumindest auf ältere Schüler auszuweiten - allenfalls auch beim Personal in Kindergärten. Offen sind diverse Organisationsfragen den Unterricht an den Schulen betreffend. So wird dem Vernehmen nach überlegt, in den Volksschulen auf Schicht-Unterricht zu verzichten. Angesichts der jetzt schon ziemlich vollen Schulen könnten sonst mit dem Nebeneinander von Unterricht und Betreuung Platzprobleme entstehen. Freilich, damit gäbe es in den Volksschulen den gleichen knappen Abstand zwischen den Schülern wie bisher. Helfen könnte eine Test-Verpflichtung.
Im Kulturbereich werden sich wohl nur Museen und Bibliotheken Hoffnung auf Öffnung machen dürfen.
Verschärfungen dürfte es bei der Einreise geben.
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner meldete sich am Sonntag dagegen skeptisch zu Wort und warnte vor einer dritten Infektionswelle. "Wir müssen eine dritte Welle mit einem noch infektiöseren Virus verhindern. Das ist kein rein virologischer Ansatz, sondern lebenswichtig - in gesundheitlicher, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht." Die Frage des Öffnens sei "eine Frage des Risikos". "Dieses Risiko ist kein abstraktes, es ist brutal real. Messbar in Zahlen der Infizierten, Erkrankten, Toten. Das Ziel der Regierung waren rund 700 Infektionen pro Tag, gestern waren es 1.400. Die Zahlen sind zu hoch. Jetzt zu lockern bedeutet die Bevölkerung einem nicht kontrollierbaren Risiko auszusetzen", so die SPÖ-Vorsitzende.
Astra Zeneca und der Impfplan
Außerdem wird es heute bei den Beratungen auch um die Frage gehen, wie der neu zugelassene Impfstoff von Astra Zeneca zum Einsatz kommt, bzw. inwiefern sich die eingeschränkte Empfehlung nur für die Altersgruppe der 18- bis 64-Jährigen auf die Impfpläne im Land auswirkt.
Österreich ist bislang nicht als Europameister in Sachen Impfschnelligkeit aufgefallen.
Zu der Entscheidung durch das nationale Impfgremium am Sonntag hat sich die Vakzinologin Ursula Wiedermann-Schmidt im Ö1-Morgenjournal geäußert. Sie ist Leiterin des Nationalen Impfgremiums. Was war ausschlaggebend für die Empfehlung? "Wir haben uns die Datenlage ganz genau angeschaut," so Wiedermann-Schmidt. In allen Altersgruppen seien sehr gute Daten vorgelegen. Aufgrund der kleinen Gruppengröße in der Altersgruppe der 65-Jährigen, kam es aber zu der Empfehlung, den Impfstoff noch – also bis mehr Daten vorliegen - der jüngeren Altersgruppe zu verabreichen.
Wie wirkt sich die Entscheidung auf den Impfplan aus? "Derzeit eigentlich nicht wesentlich," sagt die Leiterin des Impfgremiums. Die Empfehlung gelte auch erst mal nur für das erste Quartal. Die ältere Population sollte demnach mit dem bisherigen RNA-Impfstoff geimpft werden. Astra Zeneca komme dann auch in der ersten Phase z.B. beim medizinischen Personal und bei jüngeren Gruppen zum Zug. Außerdem könne der Impfstoff auch im niedergelassenen Bereich zur Anwendung kommen. "Für den Ablauf wird die Zulassung eigentlich eine Erleichterung sein," so die Vakzinologin.
Am Sonntag äußerten sich zudem Bundeskanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober zur Empfehlung durch das nationale Impfgremium. Demnach werde man sich mit den Landeshauptleuten am Montag abstimmen und den Impfplan entsprechend adaptieren. Der adaptierte Impfplan solle dann "noch in der ersten Wochenhälfte beschlossen und veröffentlicht" werden.