Wirbel um Flüchtlinge in Schuhfabrik: Haselsteiner zieht Angebot zurück
Von Anja Kröll
Die Fronten zwischen Bund und Ländern in der Frage um die Unterbringung von Flüchtlingen verhärten sich weiter. Bestes Beispiel: Spittal an der Drau am Dienstag. Alles begann mit einer eilig einberufene Pressekonferenz von Spittals Bürgermeister, Gerhard Köfer (Team Kärnten), am Dienstagmorgen mit dem Titel: "Asyl-Angriff auf Spittal an der Drau".
Köfer hatte am Montagabend aus dem Wiener Innenministerium einen 18-minütigen Anruf erhalten. Als "überfallsartig" wird er diesen am Dienstag bezeichnen. Der Inhalt: 200 bis 250 Flüchtlinge sollten in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Schuhfabrik auf dem Gabor-Areal in der Villacher Straße untergebracht werden. Das Angebot dafür wurde der zuständigen Bundesbetreuungsagentur (BBU) von dem Industriellen Hans Peter Haselsteiner unterbreitet.
250 Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan
Köfer und die Stadtpolitik liefen daraufhin Sturm: "Mir geht die Sicherheit meiner Bürger vor und nicht die Quotenerfüllung, die sich der Innenminister wünscht", sagte Köfer im KURIER-Gespräch. Laut Köfer sollten bis zu 250 Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan am ehemaligen Gabor-Gelände untergebracht werden. "In der Weihnachtszeit, da kann man doch keine Frauen und Kinder mehr zum Einkaufen auf die Straße lassen", sagt Köfer. Für eine 15.000 Einwohner-Stadt seien 250 Flüchtlinge seiner Meinung nach zu viel.
Haselsteiner zieht Angebot zurück
Am Dienstagmittag erreichte der KURIER schließlich den Industriellen Hans Peter Haselsteiner telefonisch. "Ja, wir hatten Gespräche mit der Bundesbetreuungsagentur. Aber die Vertragsgrundlage aus unserer Sicht war stets die Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen. Ich habe Rücksprache mit Landeshauptmann Peter Kaiser gehalten, und Kärnten erfüllt die Quoten für syrische und afghanische Flüchtlinge. Darum ziehen wir unser Angebot zurück", erklärte Haselsteiner.
Somit wird das ehemalige Gabor-Gelände nicht zur Unterkunft für Flüchtlinge aus Syrien oder Afghanistan.
Spittals Bürgermeister, Gerhard Köfer, zeigte sich nach dieser Nachricht naturgemäß erfreut. "Die Vernunft hat gesiegt. Ich würde mir von anderen Bürgermeistern auch mehr Mut wünschen."
Enttäuschung bei BBU
Von Seiten der Bundesbetreuungsagentur BBU zeigte man sich enttäuscht. "Wie das Beispiel Spittal an der Drau zeigt, ist es für die BBU unmöglich Quartiere zu schaffen. Einerseits werden Zelte von Bürgermeistern mit fragwürdigen Bescheiden, feste Unterkünfte mit Druck auf die Vermieter verhindert", erklärte Andreas Achrainer, Leiter der BBU, auf KURIER-Anfrage.
Das sei nicht nur unsolidarisch, sondern führe unweigerlich zu Obdachlosigkeit von Menschen. Die BBU hat ihre Plätze im vergangenen Jahre verdreifacht. Von 2.500 auf mehr als 8.000. Die Länder würden jedoch ihre Quoten - mit Ausnahme von Wien und dem Burgenland - nicht erfüllen.
Eine Begehung durch die BBU und Mitarbeitern der Haselsteiner Privatstiftung habe es noch am 25. Oktober gegeben. Besichtigt wurde demnach die ehemaligen Produktionshallen im Ausmaß von 3.000 bis 4.000 Quadratmeter. Aus der Sicht Haselsteiners eben stets in der Annahme ukrainische Kriegsflüchtlinge unterzubringen. Aus Sicht des Innenministeriums für alle Asylwerber. Ob man handelseinig wird, sollten nur Ukrainer kommen, ist unklar.
Verstimmung zwischen Land und Innenministerium
Auch aus dem Büro von Kärntens Landeshauptmann, Peter Kaiser (SPÖ), folgte am Dienstag eine Reaktion: "Das ist der weitere negative Tiefpunkt der Kommunikationskultur des Bundes: Das Land Kärnten wurde über die Zuteilung von Flüchtlingen komplett im Dunkeln gelassen und musste aus den Medien davon erfahren. Festzuhalten ist, dass es bei der Belegung von Bundesquartieren, wie jenem in Spittal, keine Zustimmung seitens des Landes braucht, der Bund das im Alleingang macht und dafür auch die alleinige Verantwortung zu tragen hat", sagte Pressesprecher Andreas Schäfermeier.
Und weiters: "Dass die Unterbringungsquote insgesamt so niedrig ist, liegt am Umstand, dass Vertriebene aus der Ukraine nicht nach Kärnten kommen und der Bund auch Nichts dergleichen tut, um Ukraine-Vertriebene auf die Länder aufzuteilen. So entsteht dann in der Öffentlichkeit ein völlig falscher Eindruck. Die Bundesregierung wird neuerlich aufgefordert, diese Informations-Unkultur sofort einzustellen."
Proteste auch in OÖ
Spittal ist nicht die erste Stadt, die gegen die Unterbringung von Flüchtlingen Sturm läuft. Erst in den vergangenen Tagen hatte Oberösterreich für Schlagzeilen gesorgt. In St. Georgen im Attergau will Bürgermeister Ferdinand Aigner (ÖVP) per Bescheid die Räumung von Zelten erzwingen. Innerhalb von drei Tagen müssten demnach die Zelte leer, innerhalb von einer Woche abgebaut sein. Der baupolizeiliche Mandatsbescheid werde noch heute an die zuständige Bundesbetreuungsagentur (BBU) zugestellt, sagte Aigner am Montag. Denn: „Es ist Gefahr im Verzug. Ich habe vorige Woche ein Sachverständigen-Gutachten dazu erhalten.“ In dem Bescheid berufe er sich auf fehlende Sicherheitsaspekte. „Ich muss mich als Bürgermeister absichern. Es geht nicht anders.“