Chronik/Österreich

Innsbruck: Der Mann hinter dem Bürgermeister-Coup von Anzengruber

Am 19. Oktober 2023 ist der endgültige Bruch vollzogen. Johannes Anzengruber, damals noch ÖVP-Vizebürgermeister, tritt mit seiner Klubkollegin Mariella Lutz vor die Medien. Das Duo kündigt an, dass man bei den Gemeinderatswahlen „als eigene, breite, bürgerliche Bewegung antreten“ werde. Also mit eigener Liste gegen die ÖVP.

An der Seitenlinie ist schon damals ein Mann dabei, der fortan bei jedem relevanten Termin im Wahlkampf dicht an oder hinter Anzengruber zu sehen sein wird – bis hin zum finalen Triumph des ÖVP-Rebellen in der Bürgermeister-Stichwahl gegen Amtsinhaber Georg Willi (Grüne) am 28. April.

Programmpräsentation

Der Mann im Hintergrund ist Jürgen Birlmair, Chef einer Innsbrucker PR-Agentur. Und als solcher maßgeblich mitverantwortlich dafür, dass „JA – Jetzt Innsbruck“ und seinem Zugpferd Anzengruber, der kommenden Montag das Arbeitsprogramm seiner Koalition mit Grünen und SPÖ präsentieren will, die Sensation gelungen ist.

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„Ich habe Hannes fast jeden Tag getroffen“, erzählt der 48-Jährige über die Monate des Wahlkampfs. Dass dieser derart erfolgreich war, hat für ihn mehrere Gründe. Die Startvoraussetzungen waren bescheiden: „Wir hatten keine Struktur, kein Budget und es war klar, dass keiner von uns das ohne Risiko machen kann“, so Birlmair.

Mit weniger Geld

Im Falle von Anzengruber hieß das: Den Großteil des Wahlkampfbudgets von 290.000 Euro aus eigener Tasche und mithilfe eines Kredits finanzieren. Das ÖVP-Bündnis „Das neue Innsbruck“ mit Florian Tursky an der Spitze hat laut eigenen Angaben hingegen rund 700.000 Euro in die Schlacht geworfen.

Um die geringere Finanzkraft zu kompensieren, mussten Anzengrubers Unterstützer und er selbst viel laufen und selbst Hand anlegen. Autos wurden mit Listen-Werbung in Eigenregie beklebt, Tausende Kaspressknödel, Kuchenstücke und Eiskugeln unters Volk gebracht. Der direkte Kontakt mit den Wählern wurde auch im Häuserwahlkampf aktiv gesucht.

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„Man kann noch so viel Werbung an Türen hängen, die redet mit keinem“, so Birlmair. Die Devise habe deshalb gelautet, beim Klinkenputzen mit möglichst vielen Menschen direkt ins Gespräch zu kommen. Diese Erfahrung führt den PR-Mann auch zur Überzeugung: „Wenn man auf sie eingeht, kann man auch FPÖ-Wähler zurückholen.“ 

Klimafitte FPÖ-Wähler

Die könnten zwar zum Beispiel wenig mit dem Begriff der „klimafitten“ Stadt anfangen. „Aber auch ein FPÖ-Wähler will es kühl im Sommer, Bäume und Schatten haben.“ 

Die Strategie hat offenbar gefruchtet. Anzengruber dürfte in der Stichwahl jede Menge blaue Stimmen ergattert haben. Seine Truppe hat die ÖVP, die in der Gemeinderatswahl nur auf rund 10 Prozent gekommen ist, letztlich alt aussehen lassen. JA landete mit 16,8 Prozent auf Platz zwei

Dabei ist die Tursky-Allianz mit einer Agentur ins Feld gezogen, die für die Tiroler aber auch die nö. Volkspartei Landtagswahlkämpfe orchestriert hat. „Die ÖVP macht Wahlkampf nach Bedienungsanleitung“, befindet Birlmair, der bereits andere schwarze Politiker in Tirol und darüber hinaus in Wahlkämpfen beraten hat.

Mit echten Unterstützern

Anzengruber konnte in seinem Wahlkampf auf die Unterstützung zahlreicher Vereinsfunktionäre, die auch als Multiplikatoren dienten, zählen. „Das sind alles Leute, die sich für die Gesellschaft engagieren“, so Birlmair. „Angestellte von Parteien sind hingegen oft eine Art Söldnertruppe.“

Überhaupt würden die großen Parteien „in einer Blase leben“, glaubt der 48-Jährige. Dabei hat der seine Wurzeln selbst in der ÖVP, war etwa JVP-Bezirksobmann und betreut mit seiner Agentur unter anderem den Bauernbund. Wie Anzengruber hat aber auch Birlmair schon mal eine Revolte gestartet. 

Als 22-Jähriger gründete er in seiner Heimatgemeinde eine Liste gegen den ÖVP-Bürgermeister. „Der wollte keinen Jungen kandidieren lassen. Ich habe dann ein Mandat gemacht“, erzählt er. Und schmunzelt.