Grazer Langzeit-Bürgermeister Nagl ist seit 6.651 Tagen im Amt
„Zehn Jahre sind für einen Politiker genug“, konstatierte Siegfried Nagl und legte Kollegen ein Ablaufdatum nahe. Und wenn sie schon die Politik nicht ganz verließen, so mögen sie doch wenigstens von einem Amt in ein anderes wechseln.
Das war Mitte 2012. Da war Nagl selbst schon neun Jahre lang Bürgermeister von Graz und saß insgesamt bereits 14 Jahre lang in der Stadtregierung: Bereits als 35-Jähriger wechselte er 1998 vom Familienunternehmen in der Innenstadt ein paar Häuser weiter in das Rathaus. Dort blieb er bis heute. Seine Zehn-Jahres-Regel hat der Wirtschaftsbündler also selbst nie eingehalten, mehr noch, er toppt sie: Heute, Donnerstag, ist der 58-Jährige 6.651 Tage oder 18 Jahre, zwei Monate und 15 Tage im Amt - das macht ihn zum längstdienenden Grazer Stadtchef. Ein Verbrechen machte Nagl schlagartig auch österreichweit einem nicht politisch interessierten Publikum bekannt: 2015, als Amokfahrer Alen R. in der Innenstadt drei Menschen tötete und mehr als 100 verletzte, entkam Nagl selbst nur knapp.
Lust aufs Wechseln
Der vierfache Vater und fünffache Großvater erweckt nicht den Eindruck, des Amtes überdrüssig zu sein. Längst wird ihm auch die Wechsellust vom Rathaus in die Burg, dem Amtssitz der Landeshauptleute, nachgesagt, mit Kurt Hohensinner stünde sein präsumtiver Nachfolger in der Stadt auch schon bereit. Doch die Landespartei unter Hermann Schützenhöfer ist nicht unbedingt Nagl-affin, auch wenn der Stadtchef bewiesen hat: Seit er das Bürgermeisteramt 2003 von der SPÖ holte, schnitt die ÖVP bei Kommunalwahlen unter Spitzenkandidat Nagl stets besser ab als die ÖVP in Graz bei Landtagswahlen.
In seinen bisher nun 18 Jahren im Bürgermeisterbüro hatte Nagl viele Stellvertreter, mehrere von der SPÖ, aber auch von KPÖ, FPÖ und den Grünen. Apropos Grüne: Nagl war 2003 unter den ersten Schwarzen, der mit einer Grünen (Lisa Rücker) einen politischen Pakt wagte. Doch irgendwie hadert Nagl ständig mit seinen Vizes. Die Zusammenarbeit mit Grün beschrieb er einst als „schwer“, mit seinem derzeitigen FPÖ-Vize Mario Eustacchio kam er wegen dessen später Distanzierung zu den rechtsextremen Identitären über Kreuz. Die Haltung der Kommunistin Elke Kahr gegen diverse Nagl’sche Lieblingsprojekte behagte dem ÖVP-Stadtobmann auch nicht, der Zwist um das Murkraftwerk im Grazer Süden provozierte 2017 sogar vorgezogene Gemeinderatswahlen. Schon 2012 rüffelte er die „Nein-Sager“ um sich und ging mit der Ansage, er wolle eine absolute Mehrheit, in den Wahlkampf. Daraus wurde nichts, allerdings fuhr er in dem Jahr sein bestes Wahlergebnis ein.
Auch um prestigeträchtige Projekte ist der 58-Jährige nie verlegen. Olympische Spiele in Graz (Winter, wohlgemerkt) oder Gondeln entlang der Mur kamen zwar nie, jetzt steht die automatisierte Mini-U-Bahn durch Graz auf dem Plan. Der Wahlkampf der ÖVP wird auch darauf abfahren und auf die Person des Langzeit-Bürgermeisters zugespitzt sein. Die Wahlen könnten schon früher kommen, als man denkt, sie sind Ende September 2021 bis Mai 2022 möglich. Den tatsächlichen Termin kann der Stadtchef eigenhändig festlegen.