Gletscherehe: Umweltanwälte rechnen mit jahrelangem Verfahren
Von Christian Willim
Alle zwei Jahre legt Tirols Umweltanwaltschaft einen Tätigkeitsbericht ab. Und zieht dabei auch stets Bilanz über den Flächenfraß im Land. „Natur und Landschaft sind eine endliche Ressource. Und wenn der Trend so weitergeht, wird die irgendwann aufgebraucht sein“, mahnte Umweltanwalt Johannes Kostenzer am Dienstag.
In Tirol wurden innerhalb von 10 Jahren 4.000 Hektar an Flächen verbraucht, für deren Nutzung es eine naturschutzrechtliche Bewilligung brauchte. „Das ist pro Tag ein Hektar“, sagt Kostenzer. Tendenz in den vergangenen zwei Jahren steigend.
2017 und 2018 ging mehr als ein Viertel des Flächenverbrauchs auf das Konto des Tourismus. Auch die Skigebiete wachsen weiter. „Stillstand ist da sicher nicht“, sagt Kostenzer.
Wachsende Skigebiete
In den vergangenen beiden Jahren wurden Skipisten im Ausmaß von 76 Hektar gebaut. Neue Pisten – nämlich 64 Hektar – sollen auch im Zuge des geplanten Zusammenschlusses von Pitztaler und Ötztaler Gletscher entstehen. Das Projekt lässt im Vorfeld der UVP-Verhandlung im Jänner seit Wochen die Wogen hochgehen.
Wie berichtet, sollen dafür die bislang unberührten Gletscherflächen rund um den Linken Fernerkogel erschlossen werden. Die schwinden jedoch bereits jetzt unter dem Einfluss des Klimawandels deutlich.
Für Kostenzer ist das Vorhaben der Seilbahnunternehmen daher „ein Projekt aus der Vergangenheit“, das heute fast anachronistisch wirke. Sogar im UVP-Antrag der Betreiber würde stehen, dass sämtliche Pistenbereiche voraussichtlich spätestens 2050 eisfrei sein werden.
Ob der Zusammenschluss letztlich genehmigt wird, ist für den Umweltanwalt nicht prognostizierbar. „Es ist aber davon auszugehen, dass es erst in ein paar Jahren eine endgültige Entscheidung geben wird. Das Vorhaben wird aller Voraussicht nach in Wien entschieden“, sagt er.
Denn bereits jetzt steht fest, dass entweder die Befürworter oder die Gegner des 2016 eingereichten Projekts eine Beschwerde gegen den Bescheid der Tiroler Behörden erheben werden. Und das Verfahren damit erst in zweiter Instanz entschieden wird.
Veränderte Landschaft
„Die Temperaturen arbeiten nicht für dieses Projekt“, vermutet Kostenzers Stellvertreter Walter Tschon. „Wenn das zum Höchstgericht in Wien geht, werden sicher neue Unterlagen gefordert, weil die jetzt vorliegenden dann nicht mehr aktuell sind“, sagt er in Hinblick auf den schmelzenden Gletscher und die sich dadurch verändernde Landschaft.
Wie lange sich das Verfahren ziehen könnte, hat das Projekt einer Verbindung der Skigebiete von Kappl und St. Anton gezeigt. 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht das zunächst 2015 in Tirol genehmigte Vorhaben gekippt – fünf Jahre nach der UVP-Verhandlung.