Gefährlicher Corona-Effekt auf den Gipfeln
Von Patrick Wammerl
Ausgangsbeschränkungen und der Shutdown haben zu einem regelrechten Ansturm auf die Berge und in die freie Natur geführt – allerdings mit gefährlichen Nebenwirkungen. Weil sich zunehmend auch völlig unerfahrene und schlecht ausgerüstete Menschen in hochalpine Gegenden vorwagen, oder mit Hilfe von E-Bikes die Gipfel erklimmen, schlägt die Bergrettung vor dem ersten Mai-Wochenende Alarm.
„Die Lockerung der Corona-Maßnahmen bedeutet, gerade jetzt mit viel Verantwortungsbewusstsein und Vorsicht in die Bergsaison zu starten. Wichtig ist, sich selbst nicht zu überfordern und Bergtouren stets im Einklang mit dem eigenen Können zu unternehmen, damit die Kapazitäten der Rettungskräfte und unseres Gesundheitssystems weiterhin geschont werden“, sagt der Landesleiter der nö. Bergrettung, Matthias Cernusca.
Durch die Nähe zur Bundeshauptstadt und dem dicht besiedelten Speckgürtel um Wien, sind es gerade die nahen niederösterreichischen Gipfel, die Städter derzeit in großen Mengen anlocken. „Ganz egal ob die Menschen Bergerfahrung haben oder nicht“, so die Bergrettung. Zuletzt spürbar ist dies am Osterwochenende geworden, als auf der Rax und der Hohen Wand im südlichen NÖ Anfänger aus schwierigen Klettersteigen gerettet werden mussten, oder Ausflügler in Halbschuhen, Shorts und ohne Wasser auf 2.000 Meter die Kraft verließ.
Auch wenn der Freiheitsdrang derzeit besonders groß ist, rät die Bergrettung davon ab, gleich zum Saisonstart mit schwierigen Touren das Glück herauszufordern. „Auch die Ansteckungsgefahr besteht weiterhin. Das gilt auch bei Mountainbike-Touren, Wanderungen und Ausflügen. Nicht alles, was jetzt nicht mehr verboten ist, ist in der aktuellen Lage auch ratsam“, mahnt nö. Tourismuslandesrat Jochen Danninger (ÖVP).
Corona ist messbar
Was die Bergunfälle in Österreich anbelangt, so schlägt sich die frühe Schließung der Skigebiete und das einstweilige Bergsport-Verbot in Tirol deutlich in der Statistik nieder. Im Vergleich zu österreichweit 458 Wintersportunfällen im Zeitraum von 15. März bis 19. April des Vorjahres, gab es Corona-bedingt heuer insgesamt nur acht solcher Unfälle, erklärt der Präsident des Kuratoriums für Alpine Sicherheit, Karl Gabl.
Trotz der teils massiven Beschränkungen fiel die heurige Wintersaison (1. Nov. bis 19. April) insgesamt gesehen aber vergleichsweise blutig aus. Es hat mit 116 nur um ein Todesopfer weniger gegeben, als in der uneingeschränkten Vorjahressaison. Außerdem weist die diese Woche veröffentlichte Unfallstatistik insgesamt 4.738 Unfälle aus, 5.104 waren es im Winter 2018/2019.
Das Verhalten und die Disziplin der Bergsportler, vor allem in Tirol wegen der intensiveren Beschränkungsmaßnahmen, sei während der Ausgangsbeschränkungen vorbildlich gewesen, sagte Viktor Horvath, Leiter der Tiroler Alpinpolizei. Von Herausforderungen für die Bergrettung sprach Bruno Berloffa, Landesleiterstellvertreter der Bergrettung Tirol. „Derzeit sind alle Bergrettungseinsätze, auch vermeintlich kleine Einsätze, sehr aufwendig in der Abwicklung und stellen auch die Retter vor eine außergewöhnliche Situation, die Einsätze unter Corona-Maßnahmen abzuwickeln“, so Berloffa.