Franz Viehböck: "Man sieht, wie verletzlich die Erde ist"
Von Johanna Kreid
600 Millionen Menschen verfolgten im Juli 1969, vor genau 50 Jahren, die Übertragung der ersten Mondlandung im Fernsehen. Einer von ihnen war der neunjährige Franz Viehböck – nicht ahnend, was ihn 22 Jahre später erwarten sollte: Am 2. Oktober 1991 brach er zur Austromir Mission auf und flog als erster und bisher einziger Österreicher ins All.
Mit Folgen: Franz Viehböck wurde in Österreich zum Star. Er war im Fernsehen, in Zeitungen oder auf Werbeplakaten präsent.
Für mich war er aber vor allem ein Freund der Familie, der ihr im November 1995 eine Reise nach Kalifornien ermöglichte. Hierhin war Viehböck gezogen, um für die Konzerne Rockwell und Boeing zu arbeiten. Mein Vater nahm mich für zwei Wochen aus der Schule – und ich lernte während dieser zweiwöchigen Kalifornien-Reise wohl mehr, als auf jeder Schulbank: etwa über Los Angeles, über das Death Valley – und über die Austromir Mission.
KURIER: Wie erinnerst du dich an die Mondlandung 1969?
Franz Viehböck: Damals sind zwei tolle Sachen zusammengekommen: Wir hatten zum ersten Mal einen Fernseher, weil mein Vater einen ausgeborgt hat – und dann war die Mondlandung. Ich war fasziniert, wie viele Mädchen und Buben damals. Die Übertragung hat sich aber ziemlich gezogen. Es hat gedauert, bis sie den Mond betreten haben. Ich weiß gar nicht mehr, ob ich nicht vorher eingeschlafen bin.
Was waren die prägendsten Erlebnisse aus der Zeit der Kosmonautenausbildung in Russland?
Von 200 ernst zunehmende Kandidaten blieben 13 übrig. Wir hatten intensive medizinische und psychologische Tests im Wiener Heeresspital. Es waren auch zwei Frauen dabei, die waren auch sehr gut. Dann wurden zwei herausgepickt (Viehböck und „Ersatzmann“ Clemens Lothaller, Anm.), die nach Russland geschickt wurden. Ich habe ein bisschen Russisch gelernt und dann ging es ins Sternenstädtchen in der Nähe von Moskau. Die Ausbildung dort war sehr gut. Man wird in der Zentrifuge auf 8g beschleunigt, hat Überlebenstraining im Winter in Sibirien, übt die Landung mit einer Kapsel im Meer oder simuliert Raumflüge.
Es wurde öfters erzählt, dass die Russen durchaus auch auf Trinkfestigkeit Wert legten?
Also wenn jemand gesagt hat, er trinkt nichts, war das gar kein Problem. Aber es gab auch Feste, wo man die eine oder andere Standfestigkeit zeigen konnte.
Wie groß ist die Nervosität kurz vor dem Start?
Ich war sehr konzentriert, aber natürlich aufgeregt. Als ich dann den Countdown gehört habe, war ich überraschenderweise relativ ruhig, ich hatte einen Puls von 72. Ich hab’ mir gedacht: „Jetzt geht’s dahin.“ Die ersten Sekunden in der Rakete sind vergleichbar mit einem Flugzeugstart. Aber es drückt einen immer stärker in die Liegeschalen, man erreicht bis zu 5g. Wir waren dann zwei Tage unterwegs bis zur Raumstation. Heutzutage bräuchte man nur mehr vier bis sechs Stunden.
Wie fühlt sich die Schwerelosigkeit an?
Extrem cool. Man braucht fast keine Kraft, man muss sich nur leicht abstoßen und schwebt herum. Diesen Zustand kann man auf der Erde so auch nicht simulieren. Wir haben sogar ein bisschen Ball gespielt, aber mit Vorsicht. Wenn einem der Ball auskommt, könnte er ja etwas ruinieren. Es gibt gefriergetrocknete Nahrung. Und geschlafen haben wir in Schlafsäcken, die angehängt waren, damit sie nicht herumschweben. Übel war mir nicht, aber ich hatte etwas Kopfschmerzen, weil das ganze Blut in den Kopf geht.
Kurz nach dem Start ins Weltall am 2. Oktober 1991 kam Tochter Carina zur Welt. Wurde das an Bord der Rakete gefeiert?
Eine Bar gibt es dort oben natürlich nicht. Aber viele Crews nehmen ein gewisses Quantum Alkohol mit an Bord. Die Behälter haben aber nur die Größe einer Augentropfenflasche oder einer kleinen Zahnpastatube, so in der Dimension. Da kann man anstoßen, aber das hat natürlich nur symbolischen Charakter. Cognac schmeckt in der Höhe übrigens besser als Wodka.
Hattet ihr Cognac oder Wodka dabei?
Ich weiß nicht mehr, wahrscheinlich beides (lacht).
Was macht Carina heute?
Sie hat in Wien Biomedical Engineering studiert. Derzeit arbeitet sie bei einem Projekt einer internationalen Raumfahrtorganisation in Paris mit.
Wie war es, plötzlich prominent zu sein und von jedem auf der Straße erkannt zu werden?
Man muss lernen, damit umzugehen. Wichtig ist, die Bodenhaftung nicht zu verlieren und nicht nur noch bei Empfängen präsent zu sein. Das Leben hat auch andere Inhalte. Von Anfang 1994 bis Mitte 1999 war ich ja in den USA, das war eine willkommene Abwechslung, da hatte ich wieder Ruhe. Hier konnte ich ja in kein Restaurant mehr gehen.
Wie sieht die Erde vom Weltall gesehen aus?
Das Schwarz des Weltalls ist faszinierend, ein so tiefes Schwarz habe ich sonst nie gesehen. Die Erde ist sehr blau. Man sieht, wie verletzlich sie ist, wie dünn die Atmosphäre, wie klein die Menschheit. Man sieht aber auch die negativen Einflüsse der Menschen, wie das Abbrennen der Urwälder in Brasilien. Man sieht, wie lange die graubraune Brühe verschmutzter Flüsse braucht, bis sie sich mit dem Meer durchmischt. Der Aralsee (Zentralasien, Anm.) war kein blauer Fleck mehr, sondern weiß. Er ist ausgetrocknet, weil das Wasser für Baumwollplantagen abgezweigt wurde. Ich habe mit Menschen gesprochen, die im Lauf von 20, 30 Jahren fünf oder sechs Mal im All waren. Sie konnten sehen, wie sich der Zustand der Welt verschlechtert hat.
Ist es für die aktuell laufende Klimadebatte schon zu spät?
Nein, aber ich glaube, sie geht zum Teil in die falsche Richtung. Bei der Erzeugung der Primärenergie müssten wir weg von der Kohle, und stattdessen erneuerbare Energie fördern. Solange wir größte Teile des Stroms mit Kohle produzieren, schadet jedes E-Auto dem Klima.
Hat die Raumfahrt auch etwas Völkerverbindendes?
Auf alle Fälle, davon bin ich überzeugt. Ich habe für das Shuttle-Mir-Programm gearbeitet, bei dem ein Spaceshuttle an die Raumstation Mir angedockt hat. Da war also Vermittlung zwischen Amerikanern und Russen nötig. Es ist doch spannend, wenn Experten zusammenarbeiten, die sich zuvor noch überlegt haben, wie sie sich mit Raketen gegenseitig die Köpfe einschlagen. Es hat eine enorme Bedeutung, wenn alle gemeinsam an einem Tisch sitzen.
Franz Viehböck, geboren am 24. August 1960, war nach dem Studium der Elektrotechnik als Assistent an der TU Wien tätig. Nach zweijährigem Training für das sowjetisch-österreichische Weltraum-Projekt Austromir war er neun Tage auf der Raumstation Mir.
Weitere Stationen: 1994 bis 1999 war er in den USA tätig, zuerst bei Rockwell, dann bei Boeing. Dann arbeitete er für Boeing in Europa. 2002 übernahm er die Geschäftsführung bei
Berndorf Band. Seit 2008 ist er Vorstandsmitglied der Berndorf AG, 2020 wird er Vorstandschef.